Das Gluehende Grab
Polizisten, der ihm gegenübersaß. Er zwang sich,
ruhig zu bleiben. »Der Arzt bezweifelt, dass Alda Selbstmord
begangen hat. Bei der Obduktion sind einige Dinge herausgekommen,
die ungewöhnlich sind.« Er machte eine kleine Pause,
bevor er zum Thema kam. »Wie kann es sein, dass ihr nur das
Schlafzimmer untersucht habt? Seid ihr denn vollkommen
aufgeschmissen, wenn ich mal nicht da bin?« Mit dem
Zeigefinger klopfte Stefán auf einen Stapel Papier, um
seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Der junge Polizist
errötete. Stefán war sich nicht sicher, ob aus Scham
oder Wut. »Wie habt ihr das Haus hinterlassen? Ist den
Angehörigen klar, dass sie da nicht reindürfen, oder habt
ihr einfach nur die Tür hinter euch
zugezogen?«
Ȁh
...« Der junge Polizist bekam noch rötere
Wangen.
»Äh?«
»Wir
haben das Haus nicht versiegelt. Sah ja aus wie Selbstmord. Ich hab
das schon öfter gesehen.«
»Spiel
dich hier bloß nicht auf«, zischte Stefán.
»Es ist mir völlig {47 }egal, ob du tausend oder drei
Selbstmorde gesehen hast. Hier geht es um diesen einen Fall, und
ich habe nicht die geringste Lust, mich von einem Rechtsmediziner
über die Arbeitsweise meiner Leute belehren zu lassen.«
Er riss sich zusammen. »Ihr habt so gut wie keine Tatortfotos
gemacht, und euer Bericht bezieht sich lediglich auf das
Schlafzimmer. Außerdem behauptet der Kollege, in dem Bericht
würde kein Blut erwähnt – dem Zustand der Leiche
nach zu schließen muss es aber Blutflecken gegeben
haben.«
»Da war
Blut«, murmelte der junge Polizist, knallrot im Gesicht.
»Geringfügige Blutflecken rechts und links vom Kopf; die
stammten von Verletzungen an Wangen und Hals der
Frau.«
»Und das
sagst du mir einfach so?«, fauchte Stefán. »Soll
ich den Bericht vielleicht für dich korrigieren? So was
gehört da selbstverständlich rein! Kann ja wohl nicht
wahr sein!«
»Uns
wurde gesagt, die Frau hätte sich die Wunden selbst
zugefügt. Unter ihren Fingernägeln waren Hautfetzen und
Blut.« Der junge Mann straffte sich. »Der Notarzt hat
Selbstmord diagnostiziert und die Blutflecken so erklärt.
Daher habe ich keinen Grund gesehen, sie in dem Bericht zu
erwähnen. Es hat alles auf Selbstmord hingedeutet, und
demgemäß sind wir auch vorgegangen.« Er schaute
seinen Vorgesetzten forschend an. »Aber was ist denn jetzt
bei der Obduktion eigentlich
rausgekommen?«
»Es
scheint keine Vergiftung vorzuliegen. Der Arzt hat Blut und
Mageninhalt auf die Bestandteile des Medikaments
überprüft, das auf dem Nachttisch lag. Es war nicht in
lebensgefährlicher Dosis im Körper
vorhanden.«
Der junge
Polizist hob die Brauen. »Woran ist sie denn dann
gestorben?«
Stefán
war jetzt viel gefasster. Er war erleichtert, dass der Notarzt vor
Ort Selbstmord diagnostiziert hatte, denn das sprach seine Leute
größtenteils von den Vorwürfen frei. »Die
Rechtsmedizin vermutet, dass die Frau erstickt
ist.«
»Erstickt«,
echote der Polizist. »Erwürgt?«
Stefán
schüttelte den Kopf. »Das ist noch unklar. Der Arzt
schließt eine Krankheit nicht aus, möchte aber, dass das
Haus der Verstorbenen genauer untersucht
wird.«
»Verstehe.«
Der junge Mann war sichtlich froh, dass Stefán sich wieder
beruhigt hatte. »Die Schicht ist gleich zu Ende,
möchtest du, dass wir direkt morgen früh
...?«
»Nein.
Ihr fahrt direkt. Sofort.« Er sah den jungen Mann scharf an.
»Ihr überprüft jeden Millimeter, und dann schreibt
ihr einen vernünftigen Bericht, wie es sich für einen
Mordtatort gehört. Morgen früh will ich eine Kopie davon
auf meinem Schreibtisch haben.« Er zeigte zur Tür.
»An deiner Stelle würde ich mich beeilen, damit du deine
Kollegen noch erwischst und die Sache nicht an dir
hängenbleibt.« Der junge Polizist öffnete den Mund,
sagte aber nichts. Er ging zur Tür. Als er im Türrahmen
stand, fügte Stefán hinzu: »Lass alle Telefonate
von und zu ihrem Festnetzanschluss und ihrem Handy
überprüfen, vor allem natürlich den Sonntagabend.
Mich interessiert vor allem, ob Alda an dem Abend Markús
Magnússon auf seinem Handy angerufen hat, und wenn ja, wie
lange. Kapiert?«
»Kapiert.«
Die Tür
fiel ins Schloss. Stefán starrte auf das helle Holzfurnier
und dachte nach. Ihm war klar, dass er seinen Kollegen auf den
Westmännerinseln anrufen und über den Stand der
Ermittlungen in Kenntnis setzen musste. Aber das konnte warten.
Erst würde er zum Landeskrankenhaus fahren, den
Rechtsmediziner treffen und Aldas Leiche begutachten. Er stand
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