Das Gluehende Grab
Kino zu gehen, auf
der Polizeiwache gelandet. Sie hatte sich dieselben Fragen wie beim
letzten Verhör anhören müssen und obendrein noch
einige Fragen nach Alda. Sie drehten sich alle darum, ob
Markús am Sonntagabend bei ihr gewesen war. Markús
hatte dies abgestritten und seine Version bekräftigt,
lediglich mit ihr telefoniert zu haben. Zunächst bestand er
darauf, wochenlang nicht bei ihr gewesen zu sein, gab aber
schließlich zu, sie noch am Samstag besucht zu haben auf ein
Glas Wein.
Dóra
hätte am liebsten laut aufgeschrien, als Markús damit
herausrückte. Sie war sauer, weil er versucht hatte, den
Besuch zu vertuschen. Ein solches Verhalten würde den Verdacht
ihm gegenüber nur verstärken. Am Ende des Verhörs
kündigte die Polizei an, Markús’ engste Verwandte
zu befragen, woraufhin er fast aggressiv wurde. Eine Zeitlang
dachte Dóra, sein Wutausbruch würde dazu führen,
dass man ihn verhaftete, aber schließlich konnte sie ihn
beruhigen. Als sie draußen waren, fragte Dóra ihn,
warum er so überreagiert habe. Markús sagte, er mache
sich Sorgen um seine betagten Eltern. Allerdings wollte die Polizei
auch mit seinem älteren Bruder Leifur sprechen, der die
Reederei der Familie auf den Westmännerinseln leitete.
Markús hatte verlangt, Dóra solle bei allen
Gesprächen anwesend sein, am Ende aber eingesehen, dass dies
aufgrund von Interessenkonflikten nicht möglich war.
Dóra versuchte, ihm klarzumachen, dass die Polizei es nicht
darauf anlegte, ihn in die Enge zu treiben, sondern
selbstverständlich {52 }ebenso nach Beweisen für seine
Unschuld suchte. Dóra war sich nicht sicher, ob sie
Markús überzeugen konnte, aber fürs Erste gab er
sich mit ihren Erklärungen zufrieden.
Etwas anderes
beunruhigte Dóra – ihre bevorstehende Fahrt auf die
Westmännerinseln. Sie würde dort nach Leuten suchen, die
den Leichenfund im Keller möglicherweise erhellen oder das
Treffen zwischen Markús und Alda kurz vor dem Vulkanausbruch
bezeugen konnten. Etwa zwei Drittel der Bewohner waren nach dem
Ende des Ausbruchs zurück auf die Insel gezogen – also
ziemlich viele, die etwas Wichtiges wissen konnten. Da der Fall
bereits in der Presse breitgetreten wurde, war es lediglich eine
Frage der Zeit, bis Markús’ Name damit in Verbindung
gebracht würde. Bisher schien die Presse kaum Infos zu haben,
und Dóra kam nicht umhin, die Kunstfertigkeit der
Journalisten zu bewundern, die es schafften, ständig Artikel
über den Fall zu veröffentlichen, ohne etwas wirklich
Neues zu schreiben. Natürlich würde das nicht mehr lange
so weitergehen – die Polizei musste sehr bald Informationen
über die Ermittlungen herausgeben, wenn sie nicht das Gesicht
verlieren wollte. Markús’ Name würde dabei nicht
fallen, aber es würde publik gemacht, dass es einen
Hauptverdächtigen gab. Und dann würde sein Name bald
durchsickern. Markús musste von jeglichem Verdacht befreit
werden, und zwar schnell.
Aber
Dóra konnte nicht viel tun, solange der Obduktionsbericht
und die Ergebnisse der Tatortuntersuchung noch nicht vorlagen. Und
danach würde sie keine Zeit mehr haben, um auf die Insel zu
fahren und mit möglichen Zeugen zu sprechen. Jetzt oder nie.
Dummerweise war þór, ihr junger Kollege aus der
Kanzlei, zu beschäftigt, um sie zu begleiten. Dóra fand
es wichtig, ein zweites Paar Augen und Ohren dabeizuhaben, aber die
einzigen, die zur Verfügung standen, gehörten ihrer
Sekretärin Bella. Bragi hatte richtigerweise darauf
hingewiesen, dass es keinen Unterschied machte, ob Bella am Empfang
saß oder sich woanders aufhielt. Daher eignete sie sich
bestens als Assistentin.
Am
liebsten hätte Dóra Matthias gebeten, nach Island zu
kommen. Er wäre sofort zur Stelle, wenn er nur irgend
könnte, aber das war gegen ihren Vorsatz, ihn in Ruhe
über seine Zukunft nachdenken zu lassen. Vor kurzem hatte eine
isländische Bank die deutsche Bank gekauft, für die
Matthias arbeitete. Im Zuge dessen hatte man ihm die Leitung der
Sicherheitsabteilung in der isländischen Hauptniederlassung
angeboten. Der Job war ähnlich wie der, den er in Deutschland
machte, aber die Bezahlung war besser, was Dóra weniger
überrascht hatte als ihn. Bei der Entscheidung spielte der Job
selbst eine geringere Rolle als der Umzug nach Island. Hier kannte
er nur sie und ihre Kinder, und deshalb wollte Dóra seine
Entscheidung nicht beeinflussen. Wenn sie ihn drängte zu
kommen, würde sie sich moralisch verpflichtet fühlen,
ihre Beziehung
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