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Das Gluehende Grab

Das Gluehende Grab

Titel: Das Gluehende Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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hat sich wohl ein
Kleinkind das Buch unter den Nagel
gerissen.«
    Daran hatte
Dóra noch gar nicht gedacht. Vielleicht hatte Jóhanna
ja doch das Buch ihrer Schwester in die Finger bekommen. »Ich
weiß es nicht. Bis hierhin war alles ganz
ordentlich.«
    Im
selben Moment verkündete die Stewardess, der Landeanflug auf
Reykjavík habe begonnen, und sie sollten ihre
Rückenlehnen in die Ausgangsposition stellen und sich
anschnallen. »Hast du schon mal von einem
Flugzeugunglück gehört, bei dem nur diejenigen
überlebt haben, die die Tischchen eingeklappt und die
Rückenlehnen in die Ausgangsposition zurückgestellt
haben?«, fragte Bella so laut, dass es alle hören
konnten. »Es geht doch nur darum, dass die Tische und Sitze
nicht kaputtgehen, wenn die Maschine abstürzt. Totaler
Quatsch.« Der Fluggast an der gegenüberliegenden Seite
des Mittelgangs schaute Bella pikiert an und klappte seinen Tisch
hoch. Dóra starrte geradeaus und ignorierte Bella. Sie
blätterte auf die nächste Seite, aber die war leer. Keine
Einträge am 20. und 21. Januar. Mist, dachte Dóra.
Bisher kein einziger Satz über den Kopf und die Kiste. Das
Tagebuch war bei der Flucht vor dem Vulkan zurückgeblieben,
und somit war die einzige Hoffnung für Markús ein
Eintrag am 22. Januar. Hoffentlich war diese Seite nicht auch leer.
Dóra holte tief Luft und blätterte
um.
    Die Seite, die
auf den 22. Januar datiert war, war weder leer noch zerkritzelt.
Aber Alda schien beim Schreiben nicht ganz bei Sinnen gewesen zu
sein. Der Text war völlig unzusammenhängend {137 }und zog
sich, anders als die vorherigen Einträge, wellenförmig
quer über die Seite. Er bestand aus Wiederholungen des Wortes
Ekel Ekel Ekel und vereinzelten warum bin ich rausgegangen? warum?
warum? sowie ich will sterben. Es war alles durcheinander und
folgte keiner bestimmten Ordnung. Unter der Litanei stand:
    Ich werde
dieses Tagebuch nicht weiterschreiben. Ich tue es für Gott und
Mama und Papa und dann bringe ich mich um. Ich komme nie nie wieder
hierher.
    Diese
Sätze waren ordentlicher und deutlicher geschrieben. Der Stift
war über den Rest der Seite nach unten gezogen worden, wo mit
klitzekleiner Schrift, kaum lesbar stand:
Markús.
    Dóra
legte das Büchlein weg und seufzte. Warum zum Teufel konnte
Alda sich nicht klarer ausdrücken? Es ging in die richtige
Richtung – alles deutete darauf hin, dass das Mädchen
einen Schock erlitten hatte. Mit viel Phantasie konnte man
Markús’ Namen unten auf der Seite als Hinweis darauf
deuten, dass er ihr womöglich helfen wollte. Oder? Die
restlichen Seiten des Tagebuchs waren leer.
     
     
     

16
    MITTWOCH
18. JULI 2007
    Seufzend legte
Dóra die Zeitung weg. Das Aufmacherfoto hätte von jedem
Erfolgsmenschen zwischen vierzig und fünfzig sein können.
Davon gab es schließlich genug. Hoffentlich war das ein Trost
für Markús, der sie von dem unscharfen Bild mit
Verbrechermiene anstarrte. Die Journalisten mussten die ganze Stadt
auf der Suche nach einem solchen Foto umgekrempelt haben. Trotz der
undeutlichen Gesichtszüge sah ihr Mandant aus wie jemand, der
vor nichts zurückschreckte. Die Überschrift Vier Tote
– laut Obduktionsbericht ermordet war so positioniert, dass
Markús eindeutig als brutaler Mörder präsentiert
wurde. In dem Artikel stand außer der Überschrift nur,
dass Markús Magnússon, Unternehmer aus
Reykjavík, wegen Beteiligung an dem Verbrechen von der
Polizei verhört wurde. In einem Extrakasten befand sich eine
kurze Biographie, die betonte, Markús habe zum
mutmaßlichen Tatzeitpunkt auf den Westmännerinseln
gewohnt. Sein jugendliches Alter wurde mit keinem Wort
erwähnt. Das Foto von der ersten Seite prangte auch neben dem
Artikel im Innenteil, mitsamt zwei Fotos von der
Ausgrabungsstätte und einem Luftbild von Heimæy. Die
Presse hatte den Obduktionsbericht offensichtlich noch nicht
zugespielt bekommen und auch noch keine Parallele zu Alda gezogen.
Der Artikel war im Grunde eine Wiederholung der Infos auf der
ersten Seite. Der Leichenfund wurde jetzt als Mordermittlung
bezeichnet. Bald {139 }würde eine Zeitung nach der anderen
Aldas Namen mit dem Fall in Verbindung bringen.
    Dóra
musste sich unbedingt näher mit der Krankenschwester
beschäftigen. Sobald die Presse anfing, sich für Alda zu
interessieren, würde selbst sie als Anwältin vor
verschlossenen Türen stehen. Dóra überflog ihre
Notizen. Sie musste das Gymnasium in Ísafjörður
kontaktieren, mit dem Schönheitschirurgen sprechen, bei

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