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Das göttliche Dutzend

Das göttliche Dutzend

Titel: Das göttliche Dutzend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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schwankten am Rande des Glaubens.
    Schoysal bemühte sich, sämtliche Anwesenden auf dem Synderplatz mit einem bedeutungsvollen Blick zu messen. Dann holte er tief Luft und bereitete sich auf die wahrscheinlich wichtigste Ansprache seiner Existenz vor. Es würde nur noch Minuten dauern, bis er die Stellung des Obertotengräbers einnahm. Er wußte es, denn in seinen Innereien machte sich ein leicht unwohles Gefühl breit.
    »Volk von Mortropolis!« rief er durch eine Wolke dichten theischen Smogs. »Steh einen Augenblick lang still und blick dich um!« Jeder sah mit einem Blick, daß die höllischen Ordnungsgesetze eins aufs Haupt bekommen und sich ins frühe Bad der Niederlage geschlichen hatten.
    »Ist das hier Leistungsfähigkeit? Ist es das hier, was ihr wollt? Wir haben Byrernsts Pläne für das neue mortropolische Regime alle gehört. Ich frage euch: Finden sie euren Beifall? Diktatorische Straßenfeste, die seine Überlegenheit über euch zeigen sollen? Daß er euch zum Gehorsam und zum Katzbuckeln zwingt, damit er bei Fürst d’Eibele gut dasteht?« Schoysal stürzte sich direkt auf die Schlagader der Byrernstschen Totengräberschaft. Das ferne Echo der Wut ratterte vom Balkon im dreizehnten Stock zu ihm herunter. Schoysal ignorierte es einfach. »Und was hat er für euch getan, Brüder? Habt ihr gelitten und euch abgeplagt, um diesen Zustand des absoluten Chaos hervorzurufen? Gab es vor der Wahl Byrernsts nicht bessere Zeiten?« Schoysal schäumte innerlich vor Aufregung, als er das erste Erwachen von Zweifeln und das erste Rühren zivilen Ungehorsams sah. »Wenn Scheytans Bürger euch nun sehen könnten, würden sie beeindruckt sein?«
    Byrernst bellte unverständliche Worte vom Balkon herunter, beugte sich weit über die Brüstung und gestikulierte, als sei er nicht sonderlich zufrieden mit der Gesamtentwicklung der Lage. Er fuhr mit funkensprühenden Fersen herum, raste ins Gebäude und raste dann wütend und schnaubend die Treppe hinunter. In seinem Hinterkopf machten sich unfeierliche Gedanken über d’Eibele breit.
    Doch welch seltsam ironische Wendung der Gerechtigkeit – eigenartigerweise wälzte auch Fürst d’Eibele genau in diesem Augenblick Gedanken über Byrernst und die Inspektionsreise. Die dreißig Fuß breiten Schwingen Detleph des Daktylus’ fegten munter durch die höllianische Luft, durchschnitten mit scheinbarer Mühelosigkeit widrige Winde und scharlachrote Wolkenbänke, und d’Eibele beglotzte durch seine kristallene Schutzbrille das unter ihm dahinziehende Unterweltreich. Von hier oben aus, wo man das Felsenfirmament fast berührte, sah wirklich alles einladend aus. Er erblickte keine der schwärmenden Massen gequälter Seelen, die Hölliens Pracht beschmutzten. Er spürte nichts vom Druck des schmutzigen Pöbels, der zwischen Qual und Ewigkeit einherwimmelte. Hier oben waren nur er und sein Daktylus, sie flogen ungebunden dahin und frohlockten auf den hauchdünnen Schwingen des Hochgefühls. Aber er wußte, daß er nicht bleiben konnte. Die Inspektion rief. Er mußte gehen.
    Unten auf dem Synderplatz streichelte Schoysal die inbrünstigen Massen in einen Glaubensrausch. »Warum solltet ihr gezwungen sein, euch Byrernsts Launen zu unterwerfen? Kann man ihm wirklich trauen, wenn er sagt, alles geschähe nur zum Besten von Mortropolis? Schaut euch den Zustand dieses chaotischen Wirrwarrs an! Heute ist der wichtigste Tag seiner Amtszeit – schaut ihn euch an! Wißt ihr, wen er dafür verantwortlich machen wird? Habt ihr eine Vorstellung davon?« Er lugte hinter den umgekippten Fuhrwerken hervor, und seine Augen blitzten in wilder Inbrunst. »Euch!« schrie er und deutete mit einer dämonischen Kralle auf die Massen. »Eure Schultern werden die Schande eures unfähigen Führers tragen!«
    Die Menge jubelte ihm zu. Die Argumente dieses unbekannten Dämons waren kluge Lichter in ihrem verdunkelten Geist, flammende Brände, denen man über keinerlei Wege aufweisende Einöden folgen konnte. Und alle, die seine Worte hörten; alle, die ins gespenstische Purpurleuchten der Gebetswellen getaucht worden waren, hörten auf ihn und begannen zu glauben. Byrernst war das Schlimmste, was Mortropolis je geschehen war. Obertotengräber? Pah! Er war nicht mal dazu geeignet, den Müll rauszutragen.
    »Werdet ihr euch erheben?« schrie Schoysal.
    »Zum Teufel mit dir!« schrie Byrernst, der durch die Tür des Felsenkratzers des Dämonischen Dienstes brach. »Ich bin der Obertotengräber! Ich sage,

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