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Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Titel: Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimée Carter
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Ohne diese Barriere war es fast, als könnte ich sehen, wer er im Innersten war. Gütig, einsam, verängstigt und erfüllt von der einzigen tiefen Sehnsucht, geliebt zu werden.
    „Darf ich was versuchen?“, fragte ich zaghaft. „Wenn’s dir nicht gefällt, hör ich sofort auf.“
    Er nickte, und ich holte tief Luft und versuchte meinen Magen davon abzuhalten, Purzelbäume zu schlagen. Und dann nahm ich all meinen Mut zusammen, lehnte mich vor und drückte keusch meine Lippen auf seine. Ich hatte in meinem Leben erst eine Handvoll Jungs geküsst, und es fühlte sich ungewohnt an, aber nicht unangenehm. Schön, dachte ich. Es fühlte sich schön an.
    Er schien überrascht, wich aber nicht zurück. Es dauerte ein paar atemlose Sekunden, doch dann entspannte er sich und erwiderte meinen Kuss, seine Hand zärtlich um meinen Nacken gelegt. Die Hitze, die sich von seiner Berührung aus über meine Haut ausbreitete, war fast unerträglich.
    Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis ich mich zwang, mich von ihm zu lösen. Während ich versuchte, wieder zu Atem zu kommen, beobachtete ich Henry wachsam, voller Angst, er würde gleich flüchten. Unbeweglich saß er da, mit undeutbarem Gesichtsausdruck, und irgendwann hielt ich es nicht mehr aus.
    „Das …“ Ich zögerte und lächelte ihn schüchtern an. „Das fand ich schön. Sehr.“
    Nach einem gefühlten Jahrtausend erwiderte er endlich mein Lächeln.
    „Genau wie ich.“
    Nervös griff ich nach seiner Hand und verschränkte die Finger mit seinen, den Blick vorsichtshalber auf unsere Hände gerichtet statt direkt auf ihn. Meine Hand war so klein, dass sie in seiner fast verloren aussah.
    „Henry? Versteh mich nicht falsch …“
    Ich spürte, wie er sich versteifte, und bekam sofort Schuldgefühle. Doch ich gab mir die größte Mühe, sie mit einem neckenden Blick zu überspielen.
    „Lass mich ausreden. Versteh mich nicht falsch, aber wo doch Weihnachten ist und das alles … Würdest du heute Nacht bei mir bleiben?“
    Seine Augen weiteten sich ein winziges Stück, und schnellschüttelte ich den Kopf, die Wangen glühend vor Scham.
    „Nicht so . Das musst du dir verdienen, und dafür musst du mir schon mehr als ein hübsches Foto bieten, klar?“ Mein schwacher Versuch, einen Witz zu machen, lockerte die Situation wenigstens so weit auf, dass er mir ein entschuldigendes Grinsen zuwarf. „Aber könntest du heute Nacht einfach … hierbleiben?“
    Mehrere Sekunden verstrichen, und innerlich trat ich mir in den Hintern für die Art, in der ich gefragt hatte. Als wäre ich irgendein dämlicher hormongesteuerter Teenager, der bloß das eine wollte. Aber das wollte ich gar nicht. Ich wollte seine Gesellschaft. Er machte mich glücklich, und gerade in dieser einen Nacht wollte ich nicht allein sein. Und vor allem wollte ich nicht, dass er allein war.
    „Ja“, sagte er. „Ich bleibe.“
    Es passierte nichts.
    Den Rest des Abends betrachteten Henry und ich die Lichter am Weihnachtsbaum, während wir uns unterhielten. Als es Zeit wurde, schlafen zu gehen, kuschelte ich mich neben ihn und benutzte ungeniert seine Brust als Kopfkissen, doch das war alles.
    Ich küsste ihn nicht noch einmal. Ich war zu glücklich, um zu riskieren, es zu vermasseln. Er verdiente es nicht, gedrängt zu werden, und während dieser kleine Schritt ganz neue Möglich-keiten eröffnete, wollte ich fürs Erste einfach nur seine Gesellschaft genießen. Wir hatten es uns beide verdient, Weihnachten zu genießen, statt eine Reihe von peinlichen Momenten zu erleben.
    Meine Mutter und ich spazierten durch den Central Park, und über uns hing die Hitze der sommerlichen Stadt. Mom sah zufrieden aus, als ich ihr berichtete, was zwischen Henry und mir geschehen war, und zog mich fest in ihre Arme, als ich erzählte, dass ich ihn geküsst hatte.
    „Das ist mein Mädchen“, sagte sie und klang glücklicher, als ich sie seit Ewigkeiten erlebt hatte.
    Unser letztes gemeinsames Weihnachten verbrachten wir, indem wir unter der heißen Sonne Eis essend durch den Parkschlenderten, und sie zeigte mir die verschiedenen wild wachsenden Blumen am Wegesrand. Nicht eine Sekunde nahm sie den Arm von meinen Schultern, und als ich spürte, wie ich langsam aufwachte, wünschte ich ihr ein letztes Mal Frohe Weihnachten.
    Leider war meine Zufriedenheit jedoch nicht von langer Dauer. Das Erste, was ich nach dem Aufwachen hörte, war ein lautes Hämmern an meiner Tür. Verwirrt setzte ich mich auf, das Haar total zerwühlt.

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