Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
war auch in Gesellschaft von Ludewig und Minna. Letztlich blieben nur zwei Hände voll Kleinigkeiten, die von den Flammen verschont geblieben waren und in einem einzigen Sack Platz fanden, darunter einige kupferne Trinkbecher und mehrere Töpfe. Inzwischen waren alle Überbleibsel des Unglücks beseitigt, selbst die Nachbarn schienen sich an den traurigen Anblick gewöhnt zu haben.
Am Abend, der erste Schnee war gefallen, saßen die Lohnarbeiterin und der Bader am Küchentisch und ruhten sich bei einem Krug warmem Würzwein und einem Teller Gerstenbrei von des Tages Mühen aus. Längst hatte Minna nicht allein das Kochen übernommen, sondern ging Ludewig auch bei seiner täglichen Arbeit zur Hand. Der Bader war erfreut, denn in den letzten Monaten war ihm die Arbeit in Praxis und Badehaus über den Kopf gewachsen. Eine patente Frau wie Minna um sich zu haben, war der reinste Gewinn.
»Ihr seid so still«, eröffnete Stienberg das Gespräch. Minna warschon den ganzen Nachmittag entgegen ihrer sonstigen Art schweigsam gewesen. »Gewiss macht Ihr Euch Sorgen um die Schimpfs. Oder gibt es etwas anderes, das Euch auf der Seele liegt?«
Minna beobachtete, wie Elisabeth auf allen vieren unter den Tisch krabbelte, um sich neben den schlafenden Hund zu setzen. Sielegte den hölzernen Löffel auf den Teller zurück und hob den Blick.
»Ihr habt recht, Herr Stienberg«, gab sie zu. »Wisst Ihr,es erscheint mir immer noch wie ein Wunder, wie schnell mein Fuß geheilt ist.«
Schon erhob sich der Bader von seinem Stuhl und kniete sich vor sie. »Lasst mich einmal sehen«, bat er und streifte Minna den Schuh ab. »Unversehrt. Nicht mal Narben habt Ihr davongetragen.« Vorsichtig strich er mit dem Zeigefinger über die Stelle, an der sich zuvor dicke Brandblasen befunden hatten. »Wirklich erstaunlich. Die Haut ist hell und weich wie die eines Säuglings.« Ludewig zog ihr den Schuh wieder an und stand auf. »Während meiner ganzen Zeit als Bader ist mir so was noch nicht untergekommen. Ich sollte diese Salbe auf dem Markt verkaufen.«
»Mit Verlaub, lieber HerrLudewig, es wird gewiss nicht allein Eure Salbe gewesen sein, die das bewirkt hat«, wandte Minna ein. »Im Grunde waren die Blasen ja schon vorher fast verschwunden.«
Minnas Gedanken wanderten zu Cristin Schimpf, und sie dachte an die Verhandlung zurück, in der man die Goldspinnerin des Mordes an ihrem Ehemann Lukas und der Zauberei angeklagt hatte, damals auf dem Lübecker Marktplatz. Sie hatte in der Menge gestanden, in einem dichten Kreis rings um das Podium. Was hatte einer der Zeugen behauptet? Cristin Schimpf habe ihr schon im Alter von zehn oderelf Jahren die Hände aufgelegt. Darauf seien die Bauchschmerzen der jungen Frau verschwunden.
Wenn etwas in der Art geschehen wäre, grübelte Minna, wenn die Deern ihre angeblich heilenden Hände auf mich gelegt hätte, könnte ich die schnelle Heilung verstehen. Wobei es ihr immer ein Rätsel bleiben würde, wie eine Wunde durch bloßes Auflegen von Händen heilen konnte. Außerdem hatte die Herrin ihr gegenüber nie auch nur ein Wort über dieses Gerücht verlauten lassen. Vielleicht war alles auch nur dummes Gewäsch?
»Worüber denkt Ihr nach, Minna?«, wollte der Bader wissen.
»Was haltet Ihr von«, sie zögerte kurz, »Spökenkram?«
»Spökenkram?« Ludewigs Miene zeigte Unverständnis. »Handlesen, Hände auflegen und all das«, fügte sie daher hinzu.
»Ich weiß, was Spökenkram ist, meine liebe Minna. Ihr wollt wissen, wie ich darüber denke? Als ich noch ein Jungspund war, habe ich diese Leute belächelt, sie manchmal gar als gefährlich empfunden. Unter ihnen gibt es jede Menge Lügner und Betrüger, versteht Ihr?«
»Weiber, die Kranken vorgaukeln, ihre Gesundheit hinge von dem Stand der Gestirne ab und ähnlicher Unsinn«, bestätigte Minna düster. Dann stutzte sie. »Ihr sagtet eben: ›Als ich noch jung war.‹ Wollt Ihr damit andeuten, heute seht Ihr das anders?«
Der Bader wiegte den Kopf.
»Ich weiß nicht recht, Minna. In all den Jahren, seit ich meine Praxis eröffnet habe, sah ich manch wunderliches Ding geschehen. Schwerkranke, die nach einem Gebet gesund wurden, ohne dass ich eineErklärung dafür gefunden hätte. Ebenso, wie Menschen über Nacht starben, obwohl sie noch am Tag zuvor vor Gesundheit strotzten.« Seine Miene nahm einen nachdenklichen Ausdruck an. »Aber Wunden, die innerhalb weniger Stunden praktisch vollständig verheilt waren, sind mir noch nie
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