Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
trug er Liebeslieder vor, die augenscheinlich jeden in seinen Bann zogen, wobei naturgemäß die Weiber geradezu an seinen Lippen hingen. Selbst Piet konnte sich der Darbietung kaum entziehen und musste neidlos anerkennen – der Mann verstand sein Metier. Ebenso wie seine Begleiter gab der Sänger vor, Franzose zu sein, doch Piet meinte, hinter dem weichen Singsang einen polnischen Akzent herauszuhören..
» He, was hast du hier verloren, Narr?«, hörte er jemanden auf Polnisch fragen.
Piet fuhr herum. Ein geringschätziger Blick von einem der Gaukler traf ihn. Unvermittelt war der Mann auf Marianka und ihn zugetreten. Sorgfältig geschminkt, haftete seinem fein geschnittenen Gesicht dennoch etwas Hochmütiges an. Im ersten Moment war Piet versucht, dem Mann eine kecke Antwort zu geben, besann sich jedoch eines Besseren.
»Gott mit dir. Ein schöner Tag heute, nicht wahr?«Er setzte ein freundliches Lächeln auf. »Was ich hier verloren habe, willst du wissen?«Piet zupfte einen Strohhalm von seinem Hemdsärmel. »Wie du siehst, bin ich ein Spaßmacher wie du und noch dazu ein Meister meiner Zunft.«
Der Mann setzte eine überraschte Miene auf. » So?« Er maß Piet von oben bis unten. »Ein feiner Narr bist du. Deine Maske wirkt mehr als lächerlich, und dein Kostüm ist schmutzig und zerknittert, als hättest du die letzten Nächte darin verbracht. Sag, wen willst du damit begeistern?«Seine Augen blitzten amüsiert. »Aber nur zu, werter Kollege. Wir werden es ja sehen. Einen schönen Tag dann noch.«
Piet blickte dem Gaukler verblüfft hinterher, der ein flottes Lied pfiff und zu seiner Truppe hinüberging, ohne ihn weiter zu beachten.
» Was für eineingebildeter Zottel«, platzte es aus Marianka heraus. »Na warte, dem wirst du es zeigen.«
» Das ist nun schon das zweite Mal, dass du wie ein Kerl fluchst, mein Schatz«, erwiderte Piet mit gespielter Empörung und legte den Arm um sie. »Aber lass nur, der Mann hat nicht ganz unrecht, oder?«
Er deutete auf sein Narrenkostüm, das am Ärmel und an seiner Hose zahlreiche Flecken aufwies. Dann zog er eine Grimasse, als wäre er zu Tode erschrocken.
» Mein holdes Weib jedoch sieht auch nicht besser aus«, ergänzte er mit überspitzt hoher Stimme und zwinkerte ihr zu, sodass Marianka fröhlich auflachte.
Sie sahen noch eine Weile dem Treiben zu, beobachteten den Minnesänger und postierten sich nahe dem Eingang, damit jeder Besucher sie auch sogleich bemerkte. Piet schlug Purzelbäume, zauberte und jonglierte, während Marianka Tänze aus ihrer Heimat vorführte. Eins war ihm dabei mehr als bewusst: Stimmlich konnte er dem Minnesänger nicht das Wasser reichen, seine Töne gerieten oft genug ein wenig schief. Er presste die Lippen aufeinander. Wenn er es schon nicht mit der Schönheit seiner Melodien aufnehmen konnte …
Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie der angebliche Franzose sich formvollendet verbeugte und den Frauen in der Menge eine Kusshand zuwarf. Als eine Bauernfamilie sich langsam dem Ausgang näherte, warf Piet sich in die Brust und lächelte die Bäuerin an. Galant verbeugte auch er sich, achtete aber darauf, ein möglichst einfältiges Gesicht aufzusetzen. Dann stimmte er eine volkstümliche Weise an, allerdings mit einem abgeänderten Text, der die Reize und Küsse der polnischen Bauersfrauen anpries. Prompt blieb die Bäuerin mit dem ausladenden Hinterteil stehen, und ihr Blick, der zuvor ablehnend gewesen war, wurde weich.
Marianka, die jene Weise kannte, hob den Kopf und schielte zu ihrem Mann und der Polin hinüber, während sie das Seil aus einem ihrer Beutel zog. Sie wendete sich ab und hielt eine Hand vor dem Mund, um ihr Kichern zu verbergen. Eine kleine Münze flog in Piets Gugel . Die Bäuerin applaudierte, und Piet stimmte ein weiteres Lied an. Von den lachenden Zuschauern angezogen, blieben weitere Neugierige stehen, um dem Narren zu lauschen, der sich mit seiner Weise über die Pfeffersäcke der gehobenen Gesellschaft lustig machte und dabei allerlei Grimassen schnitt. Die Leute bogen sich vor Lachen und spornten Piet zu immer neuen Possen an.
Nachdem er sein Lied beendet hatte und Marianka ihre Darbietung auf dem Seil vorführte, hatte Piet Gelegenheit, die burgundische Gauklertruppe eingehend zu studieren. Obwohl die vier ihr Lächeln weiterhin beibehielten, beobachtete er, wie der Sänger sich des Öfteren und vorsichtig, um seine Maskerade nicht zu beschädigen, den Schweiß aus dem Gesicht wischte. Das Gelächter
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