Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
Stangen geschickt fortbewegten, wandten diePassagiere den Neuankömmlingen ihreGesichter zu.
Cristin konnte auf beiden Seiten der Wasserstraße schmale Durchgänge ausmachen, die sie an die Fleete Hamburgs erinnerten, auch wenn die venezianischen Seitenkanäle erheblich breiter waren. Sie ließ den Blick über die Prachtbauten links und rechts sowie die kunstvoll gestalteten, elegant geformten Boote schweifen und konnte sich kaum sattsehen an den Farben Venedigs. Ein frischer Wind kühlte ihre vor Erregung heißen Wangen. Wie es wohl Elisabeth erging? Wie gern hätte ich dich jetzt bei mir, mein Liebling, dachte sie. Wie schön es wäre, mit dir zusammen durch diese wunderschöne, in der ganzen Welt berühmte Stadt zu streifen.
Endlich legte der Schiffer an dem in Stein gebauten Ufer nahe einer Holzbrücke an, gefolgt von der Barke mit den Lasten, die sie begleitet hatte. Der Bootsführer bedeutete ihnen, das Gefährt zu verlassen, und Cristin trat hinter Baldo und Bastian auf den Kai, wo die drei sich weiteren Neugierigen gegenübersahen. Die Schwangere schaute sich um und bewunderte die reich verzierte Holzbrücke über dem Canal .
»Die Rialtobrücke«, erklärte Bastian ihnen. »Hier ganz in der Nähe befindet sich der Handelshof der Deutschen.«
Indes brachten einige Arbeiter über breite Holzplanken die Habe der etwa zwei Dutzend zählenden Passagiere an Land. Als Letztes führte ein dunkelhäutiger Mann den vor den Karren gespannten Ochsen über die Planken aufs Festland. Während sich die Menge der Schaulustigen zerstreute und auch die Neuankömmlinge die Anlegestelle verließen, nahm Cristin den Geruch von Fisch und allerlei ihr unbekannten Gewürzen wahr. Von Ferne hörte sie Stimmengewirr, ganz in der Nähe musste sich ein Markt befinden. Sie schloss einen Moment lang die Augen, bis sie Baldo und Bastian sprechen hörte.
»Und nun, lieber Freund, wo geht es lang? Ihr kennt Euch in dieser Stadt aus, sagtet Ihr.«
Der Bernsteinhändler fuhr sich mit der Hand übers Kinn. »Zunächst sollten wir unseren Wagen mit Euren wertvollen Stoffen vom Kai wegführen. Hier tummeln sich zu viele Diebe.« Sein Blick wanderte zu Baldos Gürtel. »Passt nur gut auf Euren Geldbeutel auf.«
Dessen Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. Seine Hand lag demonstrativ an der Gürteltasche. »Keine Sorge, Landsberg. Der Beutelschneider, der das versucht, landet schneller im Wasser, als er bis drei zählen kann.«
Kurze Zeit später fanden sie sich vor einem ehrwürdig wirkenden Gebäude wieder. Eine fünfbogige Pfeilerarkade markierte den Platz, an dem die Boote festmachen konnten. Auf dem Dach des dreistöckigen Komplexes waren Zinnen zu erkennen, die wie kleine Schwertspitzen aussahen und deren Bronzeüberzug die Sonnenstrahlen reflektierte. Vor dem Eingang angekommen, empfing sie sogleich ein Mann mittleren Alters. Bastian übernahm die Aufgabe, ihre Ankunft zu melden, daher bedeutete er ihnen, auf ihn zu warten, und folgte dem Uniformierten ins Innere. In der Zwischenzeit führte Baldo den Ochsen samt dem Gespann näher heran und band das Tier an einen Pfahl. Cristin ließ währenddessen ihre Fracht nicht aus den Augen. Wobei ihre besondere Aufmerksamkeit jener Kiste galt, in der sich neben ihren Werkstücken auch ihr bestes Kleid befand, das sie bei der Zusammenkunft mit Enrico de Gaspanioso tragen wollte.
Dicht neben ihnen eilte ein junger Italiener vorbei, der einen mit Fisch voll beladenen Handkarren hinter sich herzog und dabei lauthals ein Lied zum Besten gab. Cristin schmunzelte und sah zu ihrem Mann hinüber, der schon ungeduldig von einem Fuß auf den anderen trat. Hinter ihnen reihten sich mittlerweile weitere Reisende mit ihren Fuhrwerken ein, die Einlass nach Venedig begehrten.
»Na endlich«, kommentierte Baldo, als Bastian das Gebäude verließ und sich ihnen mit langen Schritten näherte. Er wedelte mit einem Pergament. Hinter ihm eilte der Uniformierte herbei und band den Ochsen los.
»Unsere Fracht wird in den Lagerräumen des Kontors untergebracht, um den Ochsen kümmert sich ebenfalls jemand«, beeilte sich der Bernsteinhändler zu erläutern. »Wir sollen nur unsere Habseligkeiten mitnehmen und auf den Mann warten. Er wird uns zu unseren Kammern begleiten.«
Es dauerte nicht lange, und der Uniformierte kehrte zurück und wendete sich sogleich an Bastian. Cristin und ihren Mann hingegen würdigte er keines Blickes, was dieser mit gerunzelter Stirn quittierte.
»Und? Was sagt der Kerl?«, wollte
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