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Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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vermischte sich mit den Rufen der Männer, die sich zwischen den Schiffen und dem Kai bewegten. Die meisten trugen prall gefüllte Säcke, die über ihren Schultern lagen, und verstauten ihre Fracht auf bereitstehenden Fuhrwerken. Auf einem Gerüst balancierten halb nackte, braun gebrannte Männer und dichteten den Rumpf eines weiteren Schiffes mit Pech ab. Ein paar schmutzige Jungen in zerrissenen Kleidern spielten Fangen, andere jagten unter lautem Geschrei einen struppigen Hund auf das Hafenbecken zu. Erst im letzten Augenblick konnte das Tier ihnen entkommen.
    Cristin lächelte. Das muntere Treiben mit seinem Stimmengewirr glich einem geschäftigen Bienenstock. Tief sog sie die frische Meeresluft ein und genossden Geschmack von Salz auf der Zunge. Baldo brachte den Wagen hinter einem langen, von zwei Ochsen gezogenen Karren zum Stehen. Ein gutes Dutzend Pferdewagen, Eselkarren und Ochsengespanne wartete bereits, um über eine breite Planke auf eines der im Hafenbecken liegenden Schiffe fahren zu können, die Venedig anliefen. Viele der Wagenbesitzer standen neben ihren Fuhrwerken und diskutierten, zum Teil gestenreich, mit in langärmelige Hemden und enge, knielange Hosen gewandeten Männern, die Tafeln und Federkiele in den Händen hielten. Cristin vermutete, dass es sich um Hafenangestellte handelte, die den Zustrom der Ankommenden regelten.
    Einer von ihnen, ein stämmiger Kerl mit schwarzen Haaren, trat auf Bastian zu, der vom Kutschbock gestiegen war, und redete ihn in der Landessprache an. Baldo und Cristin sahen einander fragend an, während die beiden Männer sich angeregt unterhielten.
    Kurz darauf wandte Bastian sich seinen Freunden zu. »Der Mann ist von der Aufsicht. Wir werden gebeten, uns auf dem direkten Wege zum Handelskontor der Deutschen zu begeben.«
    »Zum Handelskontor?«, erwiderte Baldo gepresst. »Wir müssen zu diesem de Gaspanioso, was soll das also?«
    Der Bernsteinhändler gab das Gespräch wahrheitsgetreu wieder. Alle Händler, die nach Venedig einreisen wollten, mussten sich zunächst beim Handelshof ihres Heimatlandes melden. Für sie war es der Fondaco dei Tedeschi , der Handelskontor der Deutschen. Dort würden die Waren zwischengelagert, und sie bekämen eine Unterkunft im Hause zugewiesen, bis sie ihre Geschäfte abgeschlossen hatten. Alles Weitere würde man ihnen dann erklären.
    »Seht es einmal so, Freunde«, fügte Bastian mit einem Zwinkern hinzu, als betretenes Schweigen einsetzte, »um eine Herberge müssen wir uns nicht sorgen, und wir können uns dem Geschäft widmen.«
    Cristin mochte Bastians Eigenart, in allem das Gute zu erkennen, und lächelte. »Das ist natürlich wahr. Wo genau müssen wir hin?«
    Den Blick auf die Silhouette der Stadt gerichtet, die sich vor ihnen aus der Lagune erhob, standen die drei Freunde schweigend am Bug des Bootes, ein jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Als Baldos Hand die ihre ergriff, umspielte ein leichtes Lächeln Cristins Lippen. Unweit der Barke, die sie nach Venedig hinüberbrachte, lenkte ein weiterer Steuermann ein zweites, breiteres Gefährt über das Wasser. In ihm befanden sich neben dem Eigentum und den Lasttieren der Reisenden auch der Ochsenkarren und die Stoffe, die er und Cristin so schnell wie möglich dem Tuchhändler präsentieren wollten. Über ihnen stieß ein großer Seevogel ein heiseres Krächzen aus.
    Cristin hob den Kopf und sah ihm nach, bis er aus ihrem Sichtfeldentschwand. Zum Schutz vor dem kalten Wind schlug sie ihren Umhang enger um den Leib . Mit den Fingern fuhr sie über die Einkerbungen in der Brosche, die das Kleidungsstück zusammenhielt. Baldos Liebespfand hatte ihr bisher immer Glück gebracht.
    Inzwischen hatten sich die Barken der breiten, von bunten Holzstäben eingerahmten Mündung der Wasserstraße so weit genähert, dass Cristin zahllose Männer und Frauen erkennen konnte, die die Ufer des Canal Grande bevölkerten. Das Wasser glitzerte im Sonnenschein, und die Fassaden der mehrstöckigen, kunstvoll gestalteten Häuser dahinter schienen geradewegs aus dem blaugrün schimmernden Meer emporzuwachsen. Wie war es nur möglich, eine Stadt innerhalb einer Lagune zu errichten? Die Venezianer mussten wahre Meister der Baukunst sein. Auch in einer großen Anzahl Kähne und eleganter Gefährte, auf denen sich vielfach kleine Kabinen befanden, konnte sie Gestalten ausmachen. Während der Bootsmann die Barke an einigen dieserBoote vorbeisteuerte, die kräftig gebauten Männer mithilfe langer

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