Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
Gebirge geeigneter zu sein als so ein schwerfälliges Rindvieh.«
Bastian nickte. »Ihr habt recht. Ich habe auch schon darüber nachgedacht. Abgesehen davon dürften Euch der Ochse und der Karren einiges einbringen. Benötigen werden wir beides nicht mehr. Wir brauchen schließlich nur noch den Proviant für die Rückreise über die Berge mitzunehmen, wenn das Geschäft mit diesem Herrn de Gaspanioso zustande gekommen ist.«
Wenn es denn zustande kommt, überlegte Cristin zweifelnd und legte eine Hand auf ihren Bauch. Eine plötzliche Furcht, den Ansprüchen des Tuchhändlers nicht zu genügen, erfüllte sie.
»Wir sollen den weiten Weg nach Hamburg auf Maultieren zurücklegen?« Baldo verzog das Gesicht.
»Das bleibt natürlichEuchüberlassen. Wir könnten sie ja später gegen einen Pferdewagen eintauschen.«
»Ich weiß nicht, Landsberg«, entgegnete Baldo, noch immer kauend. »Machen wir da nicht ein schlechtes Geschäft? Ihr wisst selbst, wie viel so ein Ochsenkarren wert ist.«
»Also gut«, beendete Cristin die Diskussion. Sie straffte den Rücken und bemühte sich, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. »Ich bin dafür, Ochs und Karren zu verkaufen. Vielleicht finden wir im deutschen Handelshaus jemanden, der uns einen guten Preis für beides bezahlt.«
Nachdem Bastian das Mädchen an den Tisch gewinkt und die Rechnung beglichen hatte, bat er es, den Wirt zu rufen.
»Vielleicht haben wir Glück, und er kennt diesen de Gaspanioso«, meinte er an Cristin gewandt und leerte seinen Becher, während der Dolmetscher ihn aufmerksam beobachtete .
Ein schlanker, bartloser Mann mit schwarzen Locken trat zu ihnen.
» Posso fare qualcosa per voi?«, hörte Cristin den Mann fragen.
»Was sagt er?«, wollte sie wissen.
»Er fragt, ob er etwas für uns tun kann«, übersetzte Bastian und nickte dem Wirt zu. » Sì, oste. «
Er und der Mann wechselten ein paar Worte, dann wandte sich dieser wieder seinen anderen Gästen zu.
Baldo beugte sich vor. »Weiß er, wo wir den Stoffhändler finden?«
»Enrico de Gaspaniosos Casa befindet sich am anderen Ende des Canalazzo.« Mit wenigen Worten gab Bastian wieder, wo genau sie den Tuchhändler finden würden.
Der Dolmetscher nickte . »Dorthin kommt Ihr nur mit einer Gondel.«
Sie erhoben sich und wollten die Trattoria verlassen, da trat ihnen ein beleibter Mann in einer teuren Schecke, engen Beinlingen und einem geöffneten Wollmantel in den Weg.
»Wartet«, redete er sie in ihrer Sprache an.
Baldo versteifte sich. »Was wollt Ihr?«
Der Mann, dessen breites Kinn ein sorgfältig gestutzter Bart zierte, hob die Hände. »Entschuldigt, aber ich wurde gerade Zeuge Eures Gesprächs«, erklärte er. »Ihr habt darüber gesprochen, einen Ochsenkarren verkaufen zu wollen. Den würde ich mir gerne einmal ansehen. Wenn es ein kräftiges, nicht zu altes Tier ist und ein Wagen in gutem Zustand, gebe ich Euch fünf Dukaten dafür. Das ist ein guter Preis.«
Cristin musterte den Mann von Kopf bis Fuß. »Wie viel soll das sein? Wir kommen aus dem Norden des Reiches und kennen diese Währung nicht.«
»Der venezianische Dukat entspricht Eurem Goldgulden«, erläuterteder Mann.
Fünf Goldgulden erschienen Cristin zu wenig, und sie wollte dem Mann eine abschlägige Antwort erteilen, doch dieser warf sich in die Brust.
»Lasst mich Euch erst einmal vorstellen, bevor wir in Geschäftsverhandlungen treten. Mein Name ist Albrecht Braunstein, und ich bin Gewürzhändler. Ein sehr erfolgreicher, wenn ich das sagen darf. Wie Ihr stamme ich aus dem Heiligen Römischen Reich und besitze Geschäfte in Nürnberg, Augsburg und München.«
»Ihr wollt alsounseren Ochsenkarren kaufen«, kam Baldo, dem das großspurige Gehabe des Mannes nicht behagte, auf den Anfang ihres Gesprächs zurück. »Fünf Goldgulden, oder wie Ihr sie hier nennt, sagtet Ihr?«
Braunstein nickte. »Natürlich muss ich mir beides erst genauer ansehen.«
»Das versteht sich von selbst«, nickte Cristin. »Kommt heute Abend ins Handelskontor.«
Der Himmel hatte sich verdunkelt, und unter den grauen, schnell dahinziehenden Wolken, die von Regen kündeten, schossen Möwen auf der Suche nach einem Zufluchtsort dahin. Schon zerrte ein heftiger Windstoß an Cristins Kopftuch.
Die Schwangerschaft machte ihr dieser Tage arg zu schaffen, der Rücken schmerzte, und das Ungeborene bewegte sich oft allzu heftig in ihrem Leib. Während die vier die Gasse hinabeilten, einer der zahllosen Wasserstraßen zu, fielen die
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