Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
Hand über den Mund und schwieg.
»… was denn, Herr Ludewig?« Die Lohnarbeiterin beugte sich vor und musterte den kräftigen Mann. »Heraus damit. Was bin ich für Euch?«
»Eine ganz … großartige Frau.«
»Jetzt macht Ihr mich aber verlegen.«
»So? Steht Euch aber ausgezeichnet, Deern.«
Sie musste lachen. »Deern nennt Ihr mich, Herr Ludewig? Im nächsten Frühjahr werde ich zweiundvierzig Lenze alt!«
»Aufs Alter kommt’s doch nicht an.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich gehe nach oben. Es war ein langer Tag, und ich bin rechtschaffen müde.«
»Ihr habt recht«, stimmte Ludewig ihr zu. »Ich lege mich auch hin. Und habt nochmals Dank für Euer schönes Geschenk. Ich werde es in Ehren halten.«
Venedig
Nachdem sie am Morgen des vierten Tages wieder vergeblich an des Tuchhändlers Tür geklopft hatten , fuhrendie vier mit einer Gondel zum Hafen. Während sie zu dem kaum eine Meile entfernten Festland hinübersahen, sog Baldo die salzige, vom Geschrei etlicher Meeresvögel erfüllte Luft ein. Cristin zog den Umhang fester um die Schultern, denn der Wind, der von der Lagune herüberwehte, war empfindlich kalt. Ob in Hamburg schon Schnee lag?
»Wir können nur hoffen, dass dieser de Gaspanioso deine Stoffe auch wirklich für gut befindet«, sprach Baldo aus, was auch Cristin von Tag zu Tag mehr beschäftigte.
Am selben Nachmittag machte Bastian den Vorschlag, noch einmal bei Signor Adamo vorzusprechen, dem Diener des Tuchhändlers. Schon während ihre Gondel sich dem Anlegeplatz vor der Casa näherte, fiel Cristin ein ungleich prachtvolleres Boot mit einem Baldachin auf, das dort vertäut lag. Hastig glättete sie ihr samtenes Gewand. Als der Hausangestellte die Türen öffnete und Cristin, Baldo, Bastian und Doria erkannte, hellte sich seine Miene auf. Ungeduldig lauschte die Goldspinnerin der kurzen Unterhaltung zwischen ihrem Dolmetscher und dem Diener.
Dann drehte sich Giacomo Doria zu ihr und Baldo um. »Signor de Gaspanioso ist seit heute Mittag zurück«, übersetzte er. »Und er ist bereit, Euch zu empfangen.«
Der Diener nickte, als hätte er verstanden, was Doria gesagt hatte. Er öffnete die Türen und bedeutete den Besuchern, ihm ins Innere des Hauses zu folgen, und ging eine breite Steintreppe hinauf. In dem großzügig geschnittenen Raum, in dem sie sich nun befanden, trat ihnen ein muskulöser Mann von etwa vierzig Lenzen entgegen. Die vollen, lockigen Haare reichten ihm bis in den Nacken, und seinen dunklen, wachen Augen entging gewiss nicht mehr als ein Wimpernzucken. Seine Kleidung verriet Wohlstand und Geschmack, und seine aufrechte Haltung sowie die Art, wie er leicht den Kopf neigte, um sie zu begrüßen, wiesen ihn als formvollendeten Geschäftsmann aus.
Während er mit einem Lächeln auf sie zuging und zuerst Cristin und dann den drei Männern die Hände zum Gruß reichte, sagte er, sich wieder dem weiblichen Gast zuwendend, in deutscher Sprache: »Enrico Raffaele de Gaspanioso. Ihr seid also Cristin Schimpf. Meine gute Freundin, die Königin von Polen, hat mir Euren Besuch bereits angekündigt.«
Cristin schluckte. Hatte der Tuchhändler noch keine Kunde davon erhalten, dass Jadwiga nicht mehr unter den Lebenden weilte?
Als hätte de Gaspanioso ihre Gedanken erraten, legte sich ein trauriger Zug um seine Lippen. »Ja, ich habe es inzwischen erfahren«, seufzte er. »Ihr Abscheiden ist ein großer Verlust. Für das polnische Volk, für mich und sicher auch für Euch. Ihr wart Ihrer Majestät sehr verbunden, das hat sie mir mitgeteilt.« Er wies auf eine Sitzgruppe in einer Ecke des mit gediegenen Möbeln und eisenbeschlagenen Truhen eingerichteten Raumes und zog an einer Kordel neben der Tür. »Nehmt bitte Platz. Ich lasse Euch sogleich eine Erfrischung reichen.«
Eine junge Hausangestellte erschien. Der Tuchhändler erteilte ihr in italienischer Sprache eine Anweisung. Wenig später kehrte die Dienerin mit einem Tablett zurück, auf dem sich langstielige Gläser und ein ebenfalls aus Glas gefertigter Krug mit dunklem Wein befanden. Die junge Frau stellte die Gläser und den Krug auf den runden, mit Intarsien geschmückten Tisch und verließ leise den Raum.
Enrico de Gaspanioso schenkte seinen Gästen ein. » Alla salute – zum Wohl!« Er erhob sein Glas.
Was der Tuchhändler ihnen kredenzte, schmeckte wunderbar, stellte Cristin fest. Ganz anders als der warme Wein, den sie aus ihrer Heimat oder Krakow gewöhnt war, auch wenn es dort ebenfalls
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