Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
vorzügliche Weine gegeben hatte. Cristin hob das dünnwandige, farblose Glas, drehte es vorsichtig und betrachtete es bewundernd.
Als Enrico de Gaspanioso es bemerkte, nickte er ihr zu. »Dieses Glas stammt aus einer unserer Glasbläsereien auf der Insel Murano. Ich hoffe, der Wein findet Euer Gefallen.«
»Er ist ganz vorzüglich«, antwortete Bastian, der einen guten Tropfen zu schätzen wusste.
Ihr Gastgeber nickte zufrieden. »Der gute Adamo sagte mir, dass Ihr bereits seit einigen Tagen in der Stadt weilt.«
»Wir wohnen im deutschen Handelskontor«, erklärte Baldo.
De Gaspanioso schenkte ihnen nach. »Erzählt mir von unserer gemeinsamen Freundin, Signora Schimpf«, bat er. »Wart Ihr bei der Königin, als sie …« Wieder legte sich ein trauriger Zug über das fein geschnittene Gesicht.
»Ja, ich war zu der Zeit auf dem Wawel«, begann Cristin stockend, während sich vor ihrem inneren Auge die Bilder des königlichen Schlosses formten .
Der Palas mit dem Thronsaal, die Stallungen, die königlichen Gärten und schließlich die Kathedrale, in der die Totenmesse stattgefunden hatte. Zuerst für Liliana, die nur drei Wochen alt geworden war, und dann für ihre Mutter. Je länger sie von den letzten Tagen und Stunden Jadwigas erzählte, desto schwerer wurde ihr das Herz.
»Die Königin hat die Geburt ihres Kindes um nicht einmal vier Wochen überlebt«, endete sie schließlich.
Nach einer Zeit des Schweigens straffte der Tuchhändler die Schultern.
»Es war der Königin ein Herzensanliegen, dass ich Euch helfe, Signora. Deshalb will ich alles in meiner Macht Stehende dafür tun.« Er lächelte entschuldigend. »Leider habe ich in einer Stunde ein Treffen mit einem Geschäftspartner. Wenn es Euch nichts ausmacht, kommt morgen früh noch einmal in mein Haus, dann werde ich mir in aller Ruhe Eure Stoffe ansehen.«
Die Reisenden erhoben sich.
»Selbstverständlich«, erwiderte Cristin sein Lächeln und reichte dem Tuchhändler die Hand. »Wir werden da sein.«
»Dürfte ich Euch noch etwas fragen, Signora?« Enrico de Gaspanioso hielt ihre Hand fest, seine Augen ruhten nachdenklich auf ihr.
»Gewiss.«
»Es ist äußerst waghalsig, in Eurem Zustand zu verreisen, nicht wahr? Wenn Ihr meine Tochter wärt …« Der Tuchhändler wiegte den Kopf.
»… hättet Ihr mich sicher daran gehindert?« Cristin bemerkte, wie de Gaspaniosos Mundwinkel zuckten. »Das mag für junge Mädchen gut und richtig sein, denn sie unterstehen der Fürsorge ihrer Eltern. Doch ich habe ein Geschäft zu führen.«
Sein Händedruck war fest. »Dafür habe ich das größte Verständnis. Außerdem weiß ich, dass gut auf Euch achtgegeben wird, nicht wahr?« Der Tuchhändler zwinkerte Baldo zu, dann geleitete er die vier hinaus.
15
I hr seid wirklich eine außergewöhnliche Künstlerin, Signora«, lautete Enrico de Gaspaniosos Urteil, als er sich am nächsten Morgen die mit Goldfäden kunstvoll verzierten Stoffe aufmerksam ansah.
Ob dieses Komplimentes spürte Cristin, wie sich ihre Wangen röteten.
»Verkauft mir bitte diesen Umhang sowie den Wandbehang«, bat de Gaspaniosos, und Cristin kam der Bitte nur zu gerne nach.
Der Umhang aus elfenbeinfarbener Seide, dessen Rückseite ein in zarten Pastelltönen gehaltener Pfau zierte, war ihr besonders gut gelungen. Für diese Arbeit sowie für den Wandbehang, der eine Jagdszene zeigte – einen vom Licht des Vollmondes beschienenen Hirsch auf der Flucht vor einem Jäger – zahlte de Gaspanioso ihr fünf Dukaten .
Danach saßen sie mit ihrem Gastgeberan einem schweren Eichentisch im Speisezimmer der Casa und ließen sich das vorzügliche Mittagsmahl munden, das die Köchin des Venezianers zubereitet hatte. Es gab helles, frisch gebackenes Brot, gebratene Hühner, eingelegten Fisch und warmen Getreidebrei.
Während Baldo in eine Hühnerkeule biss, sagte der Tuchhändler: »Ich würde Euch gerne einem Mann vorstellen, der für Antonio Venier, unseren Dogen , arbeitet. Sebastiano Montebello ist wie ich Mitglied des Maggior Consiglio , des Großen Rates. Soweit ich weiß, will er im nächsten Jahr seine Tochter verheiraten. Ich bin mir sicher, er wird von Euren Arbeiten genauso angetan sein wie ich.Wie lange habt Ihr vor, in Venezia zu bleiben?«
Baldo griff nach einem Mundtuch und wischte sich die Lippen ab. »Wir wollen so bald wie möglich zurückreisen.«
Ihr Gastgeber nickte. »Natürlich. Dann werde ich Euch noch heute in den Palazzo Ducale geleiten, um Euch mit Sebastiano
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