Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
ihr ansehen, wie sehr sie dieses verflixte Spielchen genoss.
»In der Spinnerei der Bremers soll es gebrannt haben«, begann sie endlich.
Ein eiserner Ring schien sich um sein Herz zu legen. »Gebrannt? Was ist mit … mit meinem Sohn und Cristin? Ist ihnen etwas zugestoßen?« Emmerik sprang auf, doch seine Knie waren zu weich, deshalb ließ er sich auf seinen Stuhl zurücksinken. »Rede!«
»Ach ja, die Arme. Jetzt hat sie nichts mehr. Aus, vorbei.«
Mit unsicheren Bewegungen wischte sie den Mund an ihrem Ärmel ab. »Alles nur noch Schutt und … wie heißt das noch? Ja, Schutt und Asche, bis auf die Grundmauern niedergebrannt. War das ein schönes Feuerchen.«
Der Henker sog hörbar die Luft ein. »Solltest du auch nur eine leiseste Ahnung haben, wer dieses Feuer gelegt haben könnte, will ich es wissen. Auf der Stelle!«
Einen Moment lang betrachtete Mirke ihn mit einer Mischung aus Verblüffung und Vergnügen. Langsam erhob sie sich von ihrem Stuhl, trat zu Emmerik, strich ihm über die Wange und schnalzte mit der Zunge.
»Dafür, dass du den Ruf eines gnadenlosen Scharfrichters hast, bist du ganz schön schwer von Begriff.« Auf einmal wirkte sie stocknüchtern, als sie sich vertraulich zu ihm herunterbeugte. »Ich war’s, Emmerik. Aber sei unbesorgt, weder deinem Sohn noch seinem schönen Weib ist etwas geschehen. Die Herrschaften waren auf Reisen. Nur diese dämliche alte Vettel und das Gör von der Schimpf waren da. Ach, ich hätte zu gern ihr Gesicht gesehen, als sie nach ihrer Rückkehr vor der Ruine standen.«
Erneut krallte er die Hand in ihr Gewand und riss sie nach vorn. »Du verdammtes Luder! Sie hätten im Feuer umkommen können!«
Fast berührten sich ihre Nasenspitzen. Ihre Miene verzerrte sich zu einer Fratze.
»Sind sie aber nicht, oder? Außerdem … was gehen dich dieses Gör und die Alte an? Ist doch nicht mal Baldos Kind. Endlich, ja endlich konnte ich es dieser Cristin Schimpf heimzahlen.«
Emmeriks Mund füllte sich mit bitterer Galle. Er zog sie noch näher, spürte, wie die Schlagader an seinem Hals anschwoll. Rasend vor Zorn musste er an sich halten, um ihr nicht die Faust in das triumphierend grinsende Antlitz zu rammen. »Du hast meinem Sohn und seiner Familie nach dem Leben getrachtet, du verdammtes Miststück?«
Mirke schüttelte heftig den Kopf. »Nein, natürlich nicht! Ich wollte nur …«
»Wann … wann hast du das getan?«, unterbrach er sie, die Stimme kaum mehr als ein Flüstern, doch schneidend wie ein Messer.
»Damals, als ich gesagt habe, ich bin meinen Onkel in Ahrensborg besuchen, da war ich in Hamburg und habe die Goldspinnerei und das Haus dieser Hexe angezündet.«
»Die Hexe bist du !«, schäumte er. »Was sollte mich daran hindern, dich sofort den Bütteln zu übergeben, frage ich dich?«
»Ach, wer sollte uns beiden schon glauben«, winkte sie ab.
Emmerik fuhr von seinem Platz hoch, ohne sie loszulassen, und zog sie mit sich, vorbei an Jakob Spieß, der ihn unverhohlen neugierig musterte. »Ich zahl das Bier beim nächsten Mal«, rief er ihm zu, während er die Tür aufriss und Mirke ins Freie stieß. Sie schlug lang hin und landete auf dem gefrorenen, mit Straßendreck übersäten Boden.
»Ich nehme dich in mein Haus, biete dir ein Obdach, und zum Dank vernichtest du alles, was die beiden sich in Hamburg aufzubauen versucht haben?« Breitbeinig stand er über ihr. »Schwöre mir, dass Baldo und seinem Weib nichts passiert ist!«
»Ich schwör’s«, brachte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht hervor.
»Tritt mir nie, hörst du, niemals mehr unter die Augen«, presste er mühsam hervor.
Dann ging er davon.
17
Venedig
C ristins Finger zitterten, als sie Signora Montebello das Paket in die ausgestreckten Hände legte. Mit angehaltenem Atem beobachtete sie, wie die Hausherrin zunächstden grünlich schimmernden Samtstoff des Wandbehanges mit der Jagdszene entfaltete, dessen Kanten mit Brokateinsätzen verziert waren. Elena Montebello befeuchtete die Lippen und nahm die Arbeitsprobe genauer in Augenschein.
»Seht Ihr, meine Liebe«, mischte sich Sebastiano Montebello ein und zwinkerte Cristin unauffällig zu. »Je näher man hinschaut, umso mehr Details werden sichtbar. Wie ein Gemälde, dessen Betrachtung man nicht müde wird, habe ich nicht recht?«
»Jagdszenen langweilen mich.«
Doria hätte den Satz nicht zu übersetzen brauchen, die Miene der Italienerin sprach Bände. Cristin brach der Schweiß aus allen Poren. Sie biss sich auf die
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