Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
Unterlippe und griff nach dem zweiten Muster. Es war der Seidenumhang mit dem Pfauenmotiv.
Elena Montebellos Augen weiteten sich kurz. »Eine filigrane Arbeit.«
Cristin neigte zum Dank den Kopf. »Wie geschaffen dafür, an einem lauen Sommerabend getragen zu werden, nicht wahr?«
»Das würde unserer Giulia sicher ausgezeichnet stehen. Was verlangt Ihr für diese Arbeit?« Die Signora konnte den Blick nicht von dem feinen, von Goldfäden durchsetzten Motiv abwenden, und strich mit dem Finger darüber.
»Dieses Stück ist leider bereits an Enrico verkauft, Liebste«, gab Signor Montebello mit einem bedauernden Achselzucken zu verstehen. »Sie sollen nur als Beispiel der großen Kunst von Signora Schimpf dienen.«
In diesem Moment war Cristin dankbar dafür, dass sie sich an einen der kleinen Tische anlehnen konnte. Es hätte gewiss keinen guten Eindruck gemacht, just in diesem Augenblick vor Erleichterung ohnmächtig zu werden.
»Wie schade, Sebastiano.«
Elena Montebello musterte Cristin sowie ihre Begleiter eingehend. Ihre Miene wurde nachdenklich, und sie fuhr mit einer Hand sacht über den seidigen Stoff in ihrer Hand. Ihr Augenpaar traf auf Cristins und hielt es fest.
»Im nächsten Sommer soll unsere einzige Tochter Giulia verheiratet werden.« Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. »Den Auftrag für den Brautstaat für sie und ihren künftigen Gemahl haben wir noch nicht vergeben. Wenn es Euch gelingen sollte, mir bis übermorgen am Abend drei Entwürfe vorzulegen, die mich von Euch und Eurer Kunstfertigkeit überzeugen, werde ich erwägen, Euch den Auftrag zu erteilen.« Sie hob einen Zeigefinger. »Lasst Euch gesagt sein, ich bin äußerst anspruchsvoll und erwarte nur das Beste.«
Cristins Herz machte einen Hüpfer, so heftig, dass sie meinte, Baldo, Doria und Bastian, der das Geschehen bisher stumm verfolgt hatte, müssten es hören. Wenn nur ihr Gesicht, in dem sich stets alle Emotionen abzuzeichnen pflegten, sie nicht verriet! Ein tiefer Atemzug, dann lächelte sie so gleichmütig, wie es ihr nur möglich war.
»Es ist mir eine große Ehre, Signora Montebello. Ich werde Euch gewiss nicht enttäuschen.« Ein Geistesblitz durchzuckte sie. »Wenn ich mir noch eine Frage erlauben dürfte, Signora?«
Diese gab das Lächeln zurück. »Nur zu.«
»Um Eure Tochter würdig zu kleiden, wäre es schön, wenn ich sie kennenlernen dürfte.«
Die Hausherrin unterbrach sie mit einer ausholenden Handbewegung. »Selbstverständlich, ich gehe sie holen. Begleitet Ihr mich, Sebastiano?«
Kurz darauf waren Cristin und die Männer allein. Der Boden unter ihren Füßen schwankte bedrohlich, doch da fühlte sie zwei starke Arme, die sie umfassten und auf einen der Stühle niederdrückten.
»Der hast du es aber gegeben, Liebling. Wie du das angestellt hast. Ach, ich liebe dich!« Ein zärtlicher Kuss Baldos folgte.
Bastian klopfte ihr anerkennend auf die Schulter. »Gut gemacht, Cristin. Aber sagt, wie wollt Ihr das anstellen … bis übermorgen?«
Sie sah von einem zum anderen. »Meine Güte, ich weiß es nicht. Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
Als die Montebellos kurz darauf mit ihrer Tochter den Raum betraten, hatte Cristin ihre Fassung wiedergefunden. Allerdings war sie kaum zu einem klaren Gedanken fähig und konnte nur hoffen, vor Aufregung nicht ins Stottern zu geraten. Giulia Montebello war ein Mädchen von ungefähr sechzehn Lenzen und wie ihre Mutter ungewöhnlich groß, aber feingliedrig. Ihre helle Haut und die braunen, lockigen Haare verstärkten den puppenhaften Eindruck noch. Wache, dunkle Augen und ein schüchternes Lächeln begegneten Cristin. Die Hausherrin berichtete ihrer Tochter zunächst, was das Begehr der Gäste in der Casa war.
Cristin trat auf die junge Frau zu und senkte den Kopf zum Gruß. »Ich wurde beauftragt, Entwürfe für Euren Hochzeitsstaat anzufertigen. Um Euch aufs Beste dienen zu können, ist es nicht nur wichtig, Maß zu nehmen, sondern auch zu erfahren, welche Farben und Stoffe Ihr bevorzugt. Schließlich soll kein Brautpaar in ganz Venedig je so schön und prachtvoll aussehen wie Ihr und Euer werter Bräutigam.«
Giulia Montebellos Wangen röteten sich, die junge Frau gab sich redlich Mühe, sich ihre Aufregung nicht anmerken zu lassen. Mit heller Stimme begann sie zu sprechen.
»Sie sagt, ihr stehen nicht alle Farben, weil sie sehr hellhäutig ist und rasch kränklich wirkt«, wiederholte Doria ihre Worte.
Cristin schenkte ihr ein verständnisvolles
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