Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
Euch dies recht?«
Cristin nickte. Ihre Knie drohten nachzugeben, die innere Erregung der letzten Tage war wohl doch ein wenig zu viel für sie gewesen. Ihre Kehle war wie ausgetrocknet, und sie sehnte sich schmerzlich nach einem Sessel, in dem sie sich ausstrecken konnte. Und inmitten all dieser Empfindungen jagte ein Blitz der Erkenntnis durch ihren Geist. Dieser Auftrag, er sicherte die Existenz ihrer Familie für ein ganzes Jahr oder mehr …
Sie sah Elena Montebello an. »Mit Verlaub, um Euch gut dienen zu können, müsste ich bei Euch und Eurem Gatten sowie bei dem künftigen Bräutigam Maß nehmen.«
»Selbstverständlich«, erwiderte der Hausherr.
Wenig später hatte Cristin alle Maße auf einem Stück Pergament notiert, das Sebastiano Montebello ihr zur Verfügung gestellt hatte. Lediglich die des Bräutigams fehlten, aber auch hierfür war bald eine Lösung gefunden. Die Hausherrin klingelte nach der Dienerin und bat sie, die Maße des jungen Beamten von Meister Pino persönlich zu besorgen, denn auch er war ein Kunde der Weberei.
»Ihr seid so bleich, darf ich Euch eine Erfrischung reichen, bis meine Dienerin zurück ist?«, riss die Stimme der Hausherrin sie aus den Gedanken. »Was kann ich Euch und Euren Begleitern anbieten?«
»Danke, das ist sehr freundlich, aber …«
»Wir wären für eine Erfrischung sehr dankbar«, fiel ihr Baldo ins Wort.
Elena Montebello kümmerte sich persönlich um die Getränke und stellte auch noch eine Schale Gebäck dazu. »Bitte bedient Euch.«
Der verdünnte Wein rann wohltuend durch Cristins Kehle. Sie nahm auch von dem Gebäck, um die Gastgeberin nicht zu beleidigen. Wenig später kehrte die Dienerin zurück und reichte Signora Montebello eine Pergamentrolle.
»Wunderbar, Meister Pino hat alles fein säuberlich niedergeschrieben. Es sollte nichts fehlen.« Sie reichte der Goldspinnerin die Unterlagen. »Da fällt mir noch etwas ein. Meint Ihr, Ihr könntet mir einen ebensolchen Umhang fertigen wie jenen, den Signore de Gaspanioso von Euch erworben hat? Den mit dem Pfauenmotiv.«
»Gewiss, Signora.« Cristin wurde plötzlich die Luft knapp.
Signora Montebello lächelte erfreut. »Mir würde es genügen, wenn er gemeinsam mit dem Brautstaat fertiggestellt wäre. Bei der Übergabe lasse ich Euch drei Dukaten für den Umhang geben.«
»Vielen Dank, das sollte sich machen lassen.« Cristin rechnete in Gedanken nach, während sie noch die letzten Details besprachen. Ob sie die viele Arbeit bewältigen konnte? Sie würde eine zusätzliche Spinnerin einstellen müssen, endlich hätte sie die Möglichkeit dazu. Freude wallte in ihr auf.
»Bitte entschuldigt uns, wenn wir uns jetzt verabschieden …«
»… aber wir haben noch einiges zu erledigen, denn morgen früh gedenken wir abzureisen«, kam ihr Baldo zu Hilfe, und sie fühlte seinen tröstlichen Arm um ihre Schultern.
»Natürlich.« Sebastiano Montebello reichte Cristin die Hand. »Dann bleibt uns nur, uns für Eure wundervolle Arbeit zu bedanken und Euch eine gute Heimreise zu wünschen.«
Als sie wenig später aus der Casa traten, wich endlich die Erregung von ihr, und sie fiel zuerst Baldo und dann Bastian in die Arme. Dem Freund gab sie einen schüchternen Kuss auf die Wange, was dieser mit einem verlegenen Räuspern quittierte. Doria stand daneben, seine Gestalt wurde schwach vom Schein der Lampen bestrahlt, die in den Fenstern der Montebellos für erlesene Gemütlichkeit sorgten. Er grinste breit. Mit einem Male fand Cristin ihn überhaupt nicht mehr unsympathisch.
»Ich gratuliere Euch, bellissima . Aber wisst Ihr, dass Ihr ebenso gewitzt seid wie Elena Montebello?«
»Bin ich das, Signor Doria?« Cristin musterte den Übersetzer amüsiert.
»Oh ja, das seid Ihr, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf. Immerhin habt Ihr es geschafft, dass sie nicht einmal nach den beiden anderen Entwürfen gefragt hat.«
Cristin gluckste und presste eine Hand auf ihren Leib, denn das Ungeborene bewegte sich allzu heftig in ihr.
»Entwürfe, die es überhaupt nicht gibt«, fügte Baldo lachend hinzu, während er seiner Frau den Umhang über die Schultern warf.
»Nun ja, dann hätte ich wohl als jämmerliche Verliererin vor ihr gestanden, wenn sie es bemerkt hätte.«
»Ich habe keinen Moment daran gezweifelt, dass es Euch gelingt. Der Herr hält seine Hand über Euch, meine liebe Cristin«, sagte Bastian.
Sie tätschelte ihm wortlos den Arm. Ihr war, als breitete sich in ihrem Inneren ein warmes Licht
Weitere Kostenlose Bücher