Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
Glauben Abgefallenen vorging.
»Müsst Ihr denn wirklich dorthin?«, fragte Cristin den Freund besorgt, doch dieser nickte nur.
Der Gedanke, die Reise ab Nürnberg ohne ihn fortsetzen zu müssen, stimmte sie traurig. Aber bis die drei die Stadt an der Pegnitz erreichten, lagen noch etliche beschwerliche Wochen vor ihnen.
Ihr erstes Ziel war Padua. Am Ortsausgang von Mestre trafen sie auf eine Pilgergruppe, die ebenfalls nach Westen unterwegs war.Schnell wurde man sich einig, gemeinsam weiterzureisen. Cristin, Baldo und Bastian hofften, die Stadt, die etwa in der Mitte der Wegstrecke zwischen Verona und Venedig lag, bis zum Abend zu erreichen. Schon als die drei auf der Hinreise durchgefahren waren, hatte Bastian ihnen von der Universität erzählt, einer der ältesten des Landes, an der sowohl Italiener wie auch zahlreiche Ausländer studierten. Landsberg kannte zwei Männer, die dort das Fach Philosophie belegt hatten, bis sie mit Petrus Waldus’ Lehren in Berührung gekommen waren, ihr Studium abgebrochen und der Kirche den Rücken gekehrt hatten. Seitdem gab es am Rande der Stadt eine kleine Waldensergemeinschaft, die bisher von der Kirche unbehelligt geblieben war. Ein Grund dafür war, dass eines der Mitglieder ein Verwandter des podestà war, des Mannes, der Padua regierte.
»Dort werden wir die kommende Nacht verbringen«, versprach Bastian ihnen nun, während sie die Mauern Mestres mit jeder Stunde, die verging, weiter hinter sich ließen.
Am Nachmittag – inzwischen hatte es leicht zu schneien begonnen – konnten sie in der Ferne bereits die ersten Vorläufer der Berge vor sich aufragen sehen, obwohl diese noch viele Meilen entfernt sein mussten. Einer der Pilger wandte sich an Bastian und wechselte einige Worte mit ihm.
»Was sagt er?«, wollte Baldo wissen, der hinter Landsberg ritt.
»Der Mann meint, wir müssten unbedingt ins Benediktinerkloster gehen, wenn wir in Padua sind. Dort sollen sich die Gebeine des Apostels Lukas befinden. Allerdings besitzen die Mönche nur den Körper, den Schädel soll Kaiser Karl schon vor langer Zeit nach Prag gebracht haben.« Er verzog das Gesicht. »Angeblich wirken die Knochen Wunder. Blinde sollen ihr Sehkraft wiedererlangt haben.«
Cristin wusste, der Waldenser lehnte die Verehrung von Reliquien ab. Auch Baldos Miene zeigte deutlich, was er von solchen Geschichten hielt.
Endlich, die Sonne stand bereits tief am Horizont, überquerten die drei eine aus uralten Steinen gebaute Brücke, die sich in drei Bögen über einen breiten Fluss spannte. Kurz darauf lenkten sie ihre Reittiere durch ein Stadttor, über dem sich ein wuchtiger Turm erhob.
Bastian führte sie zum Haus von Francesco Cambio, jenes Mannes, der die kleine Gemeinde von Waldensern leitete. Es befand sich in einer Gasse am Stadtrand unweit der Stadtmauer. Nachdem Landsberg und sein Glaubensbruder, ein kleiner Mann mit einem kurz geschnittenen, ergrauten Kinnbart, sich herzlich begrüßt und ein paar Sätze gewechselt hatten, wandte sich der Italiener Cristin und Baldo zu.
»Signora, Signore, herzlich willkommen in meinem Haus«, sagte er in ihrer Sprache und mit einem freundlichen Lächeln. »Bastians Freunde, wie sagt man, auch meine Freunde, verstehen?«
Cristin nickte. »Wir danken Euch, Signor Cambio.«
Dieser drehte sich zu einer Frau von etwa dreißig Lenzen um, und sprach mit ihr. »Meine Giuseppina wird Euch zeigen, wo Ihr nachher könnt schlafen. Aber zuerst Ihr sicher habt Hunger.«
Während die Hausfrau in der Küche verschwand, führte Cambio seine Gäste in einen großen Raum, in dem sich außer einem ausladenden Tisch aus dunklem Holz mindestens zwei Dutzend Stühle und andere Sitzgelegenheiten befanden. Cristin fiel auf, dass es – anders als im Haus von Enrico de Gaspanioso oder dem der Montebellos – keinerlei Zimmerschmuck, ja nicht einmal ein Kreuz an der Wand gab. Einzig eine Kerze stand auf dem blank polierten Tisch, deren Flamme ruhig brannte.
»Unser Versammlungsraum«, erklärte der Italiener und wies auf eine kleine Sesselgruppe nahe einem Kamin, der behagliche Wärme spendete. Cristin, Baldo und Bastian nahmen Platz. Schon öffneten sich die Flügeltüren, und Signora Cambio betrat mit einem Tablett mit Tellern und Bechern den Raum. Ihr folgte ein junges Mädchen, dessen Ähnlichkeit mit Giuseppina Cambio nicht zu übersehen war. Wie seine Mutter besaß das Mädchen eine hohe Stirn und ein herzförmiges Gesicht. Es trug eine Schale mit dampfendem Inhalt und
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