Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
Wand getrennt. Er hatte sie also gehört … Sie gab sich einen Ruck und entschied, dass es ihr gleichgültig sein sollte. Für Baldo und sie war es das Natürlichste von der Welt, sich den Freuden der Liebe hinzugeben.
Der Wirt trat herzu und stellte einen Krug Würzwein, Suppe und einen Korb mit einem Laib Brot auf den Tisch. Während Bastian ein Stück davon abbrach, erzählte er, dass er nach dem Aufstehen auf dem Marktplatz gewesen sei. Dort war er auf der Suche nach einem Führer, der sie nach Innsprucke bringen würde, fündig geworden.
»Der Mann wartet draußen«, schloss Bastian seinen Bericht.
Der bereits ergrauteItaliener trug eine Fellmütze auf dem Kopf. Pelzhandschuhe sollten die Hände vor der Kälte schützen, der sie in der eisigen Bergwelt ausgesetzt sein würden. An einem Strick führte der Säumer einen Maulesel mit sich. Als er ihnen seinen Namen, Paolo, nannte und dabei eine Reihe gelber Zähne entblößte, konnte Cristin sich nur mühsam ein Lachen verkneifen. Mit seinem langen Gesicht und dem vorstehenden Gebiss ähnelte der Mann seinem Reittier geradezu verblüffend.
Nachdem die Männer sich über den Preis einig geworden waren, half Baldo Cristin auf ihr Maultier, Bastian und er saßen ebenfalls auf. Wenig später ritten die drei hinter dem Bergführer her, durch das Stadttor auf die dreibogige Brücke zu. Sie überspannte die Etsch unweit einer gewaltigen Festung.
Bald darauf hatten sie Verona hinter sich gelassen. Cristins Blick heftete sich auf das Bergmassiv, das jetzt nur noch wenige Meilen entfernt vor ihnen aufragte. Vor ihrem inneren Augen tauchte Elisabeth auf, und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie fühlte, wie sich das Kind in ihrem Leibe bewegte. Ob es diesmal ein Junge wird?, überlegte sie. Baldo würde sich bestimmt besonders freuen.
So vergingen die Stunden. Inzwischen war es Mittagszeit, und es hatte sachte zu schneien begonnen.
»Noch etwa eine halbe Meile«, rief Bastian, der vor ihr ritt und sich umgedreht hatte. »Dann erreichen wir ein Dorf, in dem wir eine Rast einlegen können. Sicher braucht Ihr etwas Zeit zum Ausruhen, Cristin.«
»Das wäre gut«, gab Baldo, der sein Maultier neben sie gelenkt hatte, nach einem besorgten Blick auf die zusammengepressten Lippen seiner Frau zurück.
Seine Pelzmütze trug bereits eine Haube aus Schnee, genau wie die ihre. Als ihr ein kalter Windstoß entgegenwehte, fasste Cristin mit einer Hand nach dem Kragen ihres wollenen Mantels und hielt ihn am Hals zusammen, während sie sich mit der anderen am Zaumzeug des Maultiers klammerte. Dessen Beine versanken inzwischen bei jedem Schritt bis zu den Fesseln im Schnee. Anders als während ihrer Hinreise, auf der ihnen immer wieder Pilger und Kaufleute begegnet waren, kamen ihnen diesmal nur wenige Reisende auf der Via Imperii entgegen, die an etlichen Stellen kaum breiter als ein Pfad war. Der Schneefall wurde heftiger und trieb dicke weiße Flocken vor sich her. Als das angekündigte Dorf endlich vor ihnen auftauchte, konnte Cristin es ebenso wie die Bergenur noch wie durch einen Schleier erkennen.
Polen
Schweigsam kauerten die Kalderash mit ihren neuen Freunden um ein Feuer. Die Nebelfelder, die nun mit der Abenddämmerung regelmäßig aufzogen, sorgten für klamme Umhänge und Mäntel. Außerdem hatte Väterchen Frost seine eisigen Hände längst ausgestreckt, und besonders die jungen Mütter hatten alle Hände voll zu tun, ihre quengeligen Kinder warm zu halten und zu besänftigen.
Kaum jemand schlief ruhig in dieser Nacht. Auch Piet hatte wach gelegen, was allerdings nicht an fehlenden Decken, sondern an seiner Furcht vor neuen, mysteriösen Träumen lag, die ihn seit einigen Nächten verfolgten. Obendrein nagte das schlechte Gewissen an ihm. Hätte er nicht seinen dummen Stolz beiseiteschieben können, als er entschieden hatte, im Spätherbst mit Marianka aufzubrechen? Sie hätten bis zum Frühjahr bei ihren Eltern bleiben sollen. Stattdessen musste er nun allabendlich zusehen, wie sie mit vor Kälte geröteter Nase unter den Decken zitterte. Er betrachtete seine Frau von der Seite, wie sie neben ihm hockte und eins der kleineren Kinder auf dem Schoß hielt. Ebenso wie bei den anderen wirkte auch ihre Miene gedankenverloren. An diesem Abend wartete Piet vergebens darauf, dass Velky oder Arva die Stimme zu einem ihrer fröhlichen Lieder erhoben.
»Hört zu«, durchbrach Joschka das Schweigen und wandte sich an die Frauen. »Ich habe mich heute mit den Männern
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