Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
sie die Lampe, atmete auf und entzündete sie. Als sie sich herumdrehte bemerkte sie, wie Baldos Blick ihr folgte. Er machte Anstalten, ihr etwas zu sagen, aber die klappernden Zähne machten ihm das Sprechen nahezu unmöglich. Cristin nahm seine klamme Hand in ihre. Ihre Gedanken arbeiteten fieberhaft.
»Baldo, ich kann in der Kammer keine zusätzlichen Decken finden. Meinst du, du kannst ein wenig zur Seite rücken?«
Sein glasiger Blick nahm einen überraschten Ausdruck an, dann aber schob er sich langsam bis zum Rand des Bettes. Cristin löschte das Licht wieder, legte sich zu ihm und schlang die Arme um seinen kalten, bebenden Leib. Sein Atem rasselte, aber er strich ihr zart über den Rücken. Lange Zeit lag sie einfach nur da, hilflos, da sie ihm nichts weiter als die Wärme ihres eigenen Körpers zu bieten hatte. Doch mit der Zeit entspannte er sich, und die Hand, die sie eben noch gestreichelt hatte, fiel herab, während sein Atem tiefer wurde. Baldo war endlich eingeschlafen. Cristin wagte es nicht, sich aus seiner Umarmung zu befreien, starrte mit offenen Augen in die Nacht und lauschte auf die Herztöne ihres Mannes an ihrem Ohr.
Hatte sie tatsächlich nichts zu geben, außer ihre Wärme? Ihre Gedanken gingen auf Reisen. Ob jene geheimnisvolle Kraft in ihren Händen, mit der sie zuweilen Leiden lindern konnte, immer noch in ihr schlummerte? Leider war diese Gabe so launisch wie das Wetter im April, für die heilbringende Wirkung gab es keinerlei Sicherheiten. Mal war sie gescheitert, in anderen Situationen wiederum erfolgreich. Ja, und manchmal habe ich es nicht mal probieren können, grübelte Cristin. Wäre sie nach der Geburt der kleinen Liliana je mit Jadwiga allein gewesen, vielleicht hätte sie ihr helfen können. Aber die Königin war stets von Bediensteten und Ärzten umringt gewesen.
Und nun? Baldo schlief, wahrscheinlich würde er es nicht einmal bemerken, wenn sie ihm die Hände auflegte. Doch ein unbestimmtes Gefühl hielt sie zurück. Durfte sie es wagen, nun, da sie ein Kind unterm Herzen trug, das jede Kraft für sich beanspruchte? War es gar schädlich für ihr Ungeborenes? Wenn sie doch nur jemanden danach befragen könnte. Sie legte eine Hand auf Baldos Brust, wartete. Wartete auf das vertraute Kribbeln in ihren Fingerspitzen, das sich stets einstellte, wenn diese mysteriöse Verbindung zu dem Leib eines anderen entstand.
Nichts geschah. Cristin stellte sich vor, wie aus ihren Fingern wärmendes, heilendes Licht drang und auf Baldos Körper überging. Ihre Hände wurden warm, aber die Bilder, die sonst bei der Berührung eines Kranken vor ihrem inneren Auge entstanden, blieben aus.
29
W ie steht es heute Morgen um Euren Mann?«, erkundigte sich der Wundarzt, nachdem er am folgenden Tag an die Kammertür geklopft hatte.
»In der Nacht hatte er hohes Fieber«, antwortete Cristin. »Er hat abwechselnd geschwitzt und gefroren. Ich habe mich zu ihm gelegt und ihn gewärmt.«
Der Arzt trat an das Bett, legte die Hand auf Baldos Stirn und griff dann nach seinem Handgelenk. »Wie ist Euer Befinden, Herr Schimpf? Habt Ihr schlafen können?«
Baldo hustete. »Dank meiner Frau«, er brach einen Moment ab, um röchelnd Luft zu holen, »hat zumindest der Schüttelfrost im Laufe der Nacht nachgelassen. Jetzt fühle ich mich, nun ja, als hätte mir ein Gaul auf die Brust getreten.«
Der Wundarzt lachte. »Ihr habt ganz offensichtlich das Richtige getan, Frau Schimpf.«
»Den Eindruck habe ich auch.« Cristin atmete auf. »Ihr habt mir noch gar nicht Euren Namen genannt.«
»Habe ich mich Euch etwa gar nicht vorgestellt? Wie unhöflich von mir. Ich heiße Christian von Hohenstein.« Er deutete eine Verbeugung an.
»Ja, ich stamme aus einer adeligen Familie. Mein Vater hatte zwar etwas anderes für seinen einzigen Sohn geplant, aber mich hat das Chirurgenhandwerk mehr interessiert. So ging ich bei einem Bader in die Lehre und wurde Wundarzt. Drei Jahre zog ich als Wanderchirurg durch die Lande, dann nahmen mich die Ordensritter in ihre Dienste. Zunächst war ich auf der Komturei Königsberg, dann auf dem Komturhof hier in Plauen.«
Ein Hustenanfall Baldos unterbrach die Schilderung des Arztes, und er trat erneut an das Krankenbett. Aufmerksam musterte er den Kranken, dessen Lider kurz flatterten, um sich dann wieder zu schließen.
»Sagt mir Frau Schimpf, hat Euer Gatte auch Auswurf?«
Cristin verneinte.
»Das ist gut. Ich muss gestehen, dass ich zuerst an eine Influenza dachte, als ich
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