Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
das Feuer, denn der Abend war frostig und windig. Der warme Schein mehrerer Talglampen erhellte die Gesichter der vier, und der Duft warmen Würzweins erfüllte die Luft.
»Was habt ihr für Pläne?«, fragte Cristin ihren Bruder und schenkte ihm noch von dem guten Wein nach.
Sie warf einen prüfenden Seitenblick in die Wiege, die neben ihr stand. Der kleine Rafael rührte sich in seinem Bettchen und schien allmählich zu erwachen.
Piet drehte seinen Becher in der Hand. »In Hamburg gibt es eine Menge Marktplätze, denke ich«, erwiderte er mit einem Zwinkern, doch gleich darauf wurde er wieder ernst und nahm ihre Hände in seine. »Hör zu, Schwesterherz, wo wir unsere Künste zeigen, ist einerlei. Aber ihr … ihr habt noch eine Menge zu tun, bevor die neue Goldspinnerei fertig sein wird. Immerhin hast du mit den Kindern genug zu tun und musst dich schonen.«
Sie strich über seinen Handrücken. »In der nächsten Woche werde ich wieder arbeiten, mein Lieber. Den Kleinen nehme ich mit in die Werkstatt, es wird schon gehen.«
Seine Miene wurde grimmig. »Sicher. Und wie hast du dir das gedacht, ohne einen Kamin in der Spinnerei?«
Cristin senkte den Kopf. »Wir bauen eben einen, so schnell es geht.«
»Genau, meine Liebe! Baldo und ich werden einen bauen und alles herrichten. Außerdem«, er senkte die Stimme und beugte sich über den Tisch, »hatte Baldo damals einen kleinen Schuppen, in dem er seine Kupferschmiedearbeiten machen konnte. Wäre es nicht schön, wenn er wieder einen kleinen Raum hätte, um seine Schmuckstücke herzustellen? Ohne seine Kunst wird der Gute schnell ungnädig, meinst du nicht? In der Zwischenzeit könnte Marianka Minna und dich unterstützen. Es wäre uns eine Freude.«
Cristin verharrte in der Bewegung. Sie starrte ihn unbeweglich an. »Du willst mir damit sagen, dass …«
»Dass wir gern noch ein wenig bei euch bleiben würden, bis alles gebaut und erledigt ist. Natürlich nur, wenn es euch recht ist.«
Sie schüttelte den Kopf. »Aber was ist mit eurem Haus?«
Piet lachte herzhaft, sodass Marianka und Baldo, die sich ebenfalls leise unterhielten, ihn erstaunt ansahen.
»In Polen herrscht tiefster Winter. Solange Väterchen Frost die Erde noch in seinem eisigen Griff hält, können wir nur die Hände in den Schoß legen.« Er blickte zu seiner Frau, die ihm zunickte. Dann wandte er sich wieder seiner Schwester zu. »Also, was meinst du, Cristin?«
»Ja, wenn das so ist, wie könnte ich euch das abschlagen?«, entgegnete sie und erwiderte sein Lächeln.
37
Lübeck
Z wei Tage lang war sie nun schon durch den Norden der Stadt gestreift,wo niemand sie kannte. Zu groß war Mirke Pöhlmanns Angst, die Schimpfs könnten Büttel ausgeschickt haben, um sie suchen und gefangen nehmen zu lassen, nachdem sie aus Hamburg geflohen war. Der Schlutuper Fischhändler, ein einstiger Freier aus ihrer Zeit mit Alheyd, war inzwischen verheiratet, und sein Weib hatte sie mit derben Worten fortgescheucht. Die Nacht hatte sie in einem schmutzigen Hinterhof zugebracht. Mäuse und Ratten waren ihr über die Füße gelaufen, während sie sich in eine schneefreie, aber eisig kalte Ecke gekauert hatte, um nicht entdeckt zu werden. Am vergangenen Abend dann war Mirke im Schutze der Dunkelheit in die Stadt zurückgekehrt. In einer billigen Schänke an der Wakenitz, von der sie wusste, dass Emmerik dort nicht verkehrte, hatte sie sich Mut angetrunken. Wenn er herausbekam, was sie getan hatte, würde er seine Drohung wahrmachen und sie umbringen , daran zweifelte sie keinen Augenblick.
Nachdem sie das Wirtshaus verlassen hatte, schlugen ihre Füße wie von selbst den Weg zum Hüxterdamm ein. Mirke Pöhlmann verzog das Gesicht, denn der Fluss, den man hier für die Bierbrauer aufgestaut hatte , roch brackig. Seit einigen Tagen war die Wakenitz nicht mehr von Eis bedeckt, nur am Ufer lagen noch einige frostige Reste und erinnerten an den langen Winter. Langsam ging sie weiter, zögerte kurz und lauschte in die Stille der Nacht, um sich dann die Kapuze des Umhangs überzuwerfen und ihren Weg fortzusetzen .
In einiger Entfernung erkannte sie im fahlen Licht des Mondes das große Rad der Brauerwasserkunst. Bei Tag beförderten seine breiten Schaufeln das von den Bierbrauern benötigte Wasser in einen Behälter, von dem aus es durch hölzerne Leitungen in den Süden der Stadt weiterfloss. Einen Moment lang blieb sie stehen, drehte sich um und starrte blicklos auf die Silhouette der
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