Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
leere Bierkrüge auf den Tresen und wandte sich dann den neuen Gästen zu.
Mit einem fröhlichen »Grüß Euch Gott« wies sie in eine Ecke des Schankraumes. »Da hinten ist noch ein kleiner Tisch frei.«
»Dann bring uns gleich ein paar Becher Bier dorthin«, erwiderte Bastian und lächelte ihr freundlich zu.
Doch das Schankmädchen hatte nur Augen für den größten der drei Männer, die nun an ihr vorübergingen und dem letzten freien Tisch zustrebten.
Schmunzelnd beobachtete Cristin, wie die junge Frau den Blick auf von Dormitz’ breiten Rücken heftete, um mit halb geöffneten Lippen auf dem Gesäß und den kräftigen, in einem eng anliegenden Beinkleid steckenden Schenkeln des Mannes zu verweilen. Wenig später brachte das Mädchen die bestellten Getränke, nicht ohne Ulrych mit einem kessen Augenaufschlag zu bedenken.
»Möge es Euch wohl bekommen, edler Herr«, säuselte sie. »Gewiss habt Ihr eine lange Reise hinter Euch.« Ihr Blick wanderte über das kantige, von schulterlangen Haaren eingerahmte Gesicht und ruhte kurz auf der Narbe an von Dormitz’ Stirn.
»Ja«, antwortete dieser knapp. »Frag deinen Herrn, ob er zwei Kammern für uns hat, in denen wir die Nacht verbringen können.«
Als die Schankmagd keine Anstalten machte, seiner Bitte Folge zu leisten, machte von Dormitz eine wedelnde Handbewegung, als wollte er eine Fliege verscheuchen. »Troll dich, Mädchen«, brummte er unwirsch.
Die Magd zog einen Schmollmund und entfernte sich.
»Ihr scheint eine Eroberung gemacht zu haben«, lächelte Cristin.
Von Dormitz winkte ab und griff nach seinem Becher. Stumm starrte er einen Moment lang in die goldgelbe Flüssigkeit, um ihn dann in einem Zug zu leeren. Irrte sie sich oder war in seinen Augen ein Anflug von Traurigkeit zu lesen? Als das Mädchen einige Zeit später erneut an ihren Tisch trat, um die vier nach weiteren Wünschen zu fragen, wandte Ulrych den Kopf ab. Sein Verhalten schien so gar nicht zu seinem bisherigem Benehmen zu passen. Während Baldo für alle etwas zu essen bestellte, beobachtete sie das nunmehr verkniffen wirkende Mienenspiel im Gesicht des Mannes, der jeden anderen in der Schankstube um Haupteslänge überragte.
Nachdem sie gesättigt waren und Bastian eine weitere Runde Bier bestellt hatte, beugte sie sich zu Ulrych. »Darf ich Euch etwas Persönliches fragen?«
»Nur zu, Frau Schimpf.«
»Das Schankmädchen, Ihr habt es …«, setzte sie an.
Er unterbrach sie schroff. »Ich möchte nicht darüber sprechen!«
»Verzeiht, ich wollte Euch nicht zu nahe treten.«
Ulrych von Dormitz’ Augen wurden schmal. Im nächsten Moment erhob er sich und schob den Stuhl zurück. »Ich brauche frische Luft.«
Mit langen Schritten strebte er, die erstaunten Blicke mehrerer Männer auf sich gerichtet, auf die Tür der Schänke zu, stieß sie auf und war verschwunden.
»Was war das denn?«, fragte der Bernsteinhändler kopfschüttelnd.
Cristin zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht.«
Zeitig am nächsten Morgen verließen sie Nürnberg, um ihre Reise in Richtung Augsburg fortzusetzen. Nach einer unruhigen Nacht fühlte sich Cristin erschöpft. Die Zeit verging nur schleppend, und sie sehnte die nächste Rast herbei. Dann brach endlich der Nachmittag an, wie sie am Stand der Sonne ablas, die man hinter den tief hängenden Wolken nur erahnen konnte. Der Wind war vermutlich zu stürmisch, um Regen zu bringen. Was Cristin mit Erleichterung feststellte, denn ihr war ohnehin kalt und ihr Rücken schmerzte von der harten Holzbank des Wagens.
Die Männer setzten sich auf eine Decke, die sie auf einer Wiese ausgebreitet hatten, und beobachteten den regen Betrieb auf der gepflasterten Straße. Die Gesichter von Baldo und Ulrych waren ebenso umwölkt wie der Himmel. Deshalb zog Cristin es vor, sich etwas abseits gegen einen Baum zu lehnen und die Glieder auszustrecken, während sie eine Scheibe Brot und eine der kalten Bratwürste aß. Könnte ich doch nur ein Weilchen schlafen, einfach nur gegen diesen Baum gelehnt, dachte sie und trank einen Schluck verdünnten Wein, den sie ebenfalls gekauft hatten. Ihre Lider waren schwer wie Blei und brannten, als hätte sie mehrere Nächte keine Ruhe gefunden.
Cristin strich sich eine feuchte Strähne von der Wange, die aus ihrem Kopftuch hervorlugte, und sah sich um. Sie waren nicht die Einzigen, die hier rasteten. Unweit von ihnen hatte sich eine Familie niedergelassen. Die Eltern entfachten gerade ein Feuer und stellten ein Dreibein auf.
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