Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
verdächtig waren. Die hübsche, lebhafte Claire und die zwar stillere, aber dafür so außergewöhnlich schöne Kathleen erschienen ihnen wohl auch als ständige Versuchung für ihre Männer. Schon über jedes kleinste Gespräch der beiden mit einem Farmarbeiter oder Siedler wurde getuschelt. Nichtsdestotrotz gelüstete es auch diese rechtschaffenen Frauen nach Londoner Schick. So schlichen sie sich immer wieder zu Kathleensund Claires Haus und vergaben Nähaufträge – um sich hinterher über die übertrieben hohen Kosten zu beklagen.
»So viel wie in Christchurch werden wir allerdings nie verdienen«, meinte Claire am Ende des ersten Monats bekümmert. »Ich hatte mich auf städtisches Flair gefreut, stattdessen sitzen wir wieder auf dem Land und waschen Wolle. Wenn sie mich wenigstens öfter bei den Pferden und Schafen helfen ließen. Aber dabei könnte ich ja Mr. Ashley verführen! Als wäre der attraktiver als ein Schafbock!« Claire war mehr als unzufrieden.
Kathleen fand sich erheblich gelassener als die Freundin in ihr ereignisloses Leben. Immerhin schlug und beleidigte sie niemand mehr, Sean blieb unbehelligt, und Heather wurde nicht mehr Zeugin hässlicher Szenen. Alle Kinder besuchten inzwischen die Schule von Reverend Watgin, aber sie überflügelten die Siedlerkinder leicht. Besonders Sean konnte in der Dorfschule nichts mehr lernen, auch er wäre enttäuscht von Otago gewesen, wenn es Reverend Burton nicht gegeben hätte. Mindestens einmal im Monat bestand Claire darauf, den Sonntagsgottesdienst in Dunedin zu besuchen, und meist fuhren sie bereits am Samstagnachmittag, aßen in Burtons Zelt zu Abend und schliefen in der »Kirche« oder bei einem der anderen Gemeindemitglieder. Die anglikanische Gemeinde wuchs langsam, aber stetig, und Burton wollte natürlich nicht in Verruf kommen, indem er weibliche Besucher über Nacht beherbergte.
Allerdings waren ihm Claire und Kathleen immer willkommen, und ebenso Sean, dessen wacher Geist den Reverend faszinierte. Er sprach mit ihm wie mit einem Erwachsenen über Geschichte und Philosophie, lieh ihm Bücher und beantwortete Fragen. Auch Claire schätzte die anregende Unterhaltung mit dem Reverend. Kathleen hörte meist nur schweigend zu, sprach sich allerdings nie gegen die Besuche in Dunedin aus und schien sich nicht zu langweilen. Wenn sie gelegentlich eine Bemerkung einwarf, so war sie meist treffend und scharfsinnig. Dennoch hätte sie auch ohne die Diskussion der Thesen von Mr. Darwin leben können.
Kathleen fragte sich oft, was sie am Zusammensein mit Reverend Burton reizte. Sie spürte, dass sie sich in seiner Anwesenheit wohl und sicher fühlte – wohler als überall sonst, seitdem sie vor Ian geflohen war. Nach wie vor kämpfte sie mit Schuldgefühlen – nicht so sehr Ian als Colin gegenüber. Sie hätte ihren Sohn nicht sich selbst und seinem betrügerischen Vater überlassen dürfen! Zudem fürchtete Kathleen sich vor Vergeltung. Während der gesamten Planung ihrer Flucht hatte sie nie daran gedacht, dass Ian sie suchen könnte, sondern war einfach davon ausgegangen, er ließe sie ziehen. Aber jetzt standen ihr jede Nacht seine Eifersuchtsanfälle vor Augen. Er hatte es nicht ertragen können, wenn sie andere Männer nur ansah – und jetzt sollte er tolerieren, dass sie ihn verlassen hatte? Ian mochte sie nie geliebt haben, aber er hatte sie als seinen Besitz betrachtet. Und er ließ sich nicht gern bestehlen!
All diese Gedanken verstummten, wenn Kathleen mit Reverend Burton zusammen war. Sie nahm wahr, dass er ihre Schönheit bewunderte, aber er trat ihr nie zu nahe. Seine Unterhaltungen mit Claire faszinierten sie. Hier schienen nicht Mann und Frau miteinander zu reden, sondern einfach zwei Menschen, die ähnliche Interessen teilten. Burton machte keine schönen Worte wie Michael, er tändelte nicht mit den Frauen. Aber sicher hielt er seine Versprechungen, und er trug die Konsequenzen für alles, was er sagte und tat. Kathleen beeindruckte sein Festhalten an den Lehren Darwins und sein Aufbegehren gegen seine Kirche. Die Bibel war ein dickes Buch – Peter konnte über alles und jedes predigen, es musste nicht die Schöpfungsgeschichte sein! Aber dennoch ließ ihn eben dieses Thema nicht los, und er nahm dafür sogar seine Verbannung in ein Zelt in Dunedin geduldig hin.
Allerdings machte er sich neuerdings immer öfter Sorgen um seine Zukunft. »Sie reden davon, einen Bischof zu ernennen und herzusenden«, seufzte er. »Ob ich dann weiter
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