Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
Veränderung war mit ihr vorgegangen, und sie bezog sich nicht nur auf das hübsche dunkelrote Hütchen, das sie endlich gegen die schwarze Krähenhaube eingetauscht hatte. Da war auch ein Leuchten in ihren Augen, das er zum letzten Mal gesehen hatte, als sie noch mit Peter Burton zusammen gewesen war. Bevor sein Vater starb. Sein Vater? Sean war nicht dumm. Als Kind hatte Ians Ablehnung, seine deutliche Bevorzugung Colins ihn verletzt, aber inzwischen war er längst über Coltrane hinweg. Er trug ihm nichts mehr nach, aberer fühlte auch nichts für ihn. Dieses völlige Fehlen von Zuneigung und Bindung hatte ihn schließlich neugierig gemacht. Und Kathleens Heiratsurkunde war nicht schwer zu finden.
Sean ging langsam auf seine Mutter zu und begrüßte sie mit einem Kuss auf die Wange.
»Sean!«, sagte Kathleen, und in ihrer Stimme war ein Überschwang, den er nie darin vernommen hatte. »Dies ist Michael Drury!«
Sean gab brav die Hand. »Habe ich Sie nicht in Tuapeka gesehen, Mr. Drury?«, fragte er artig. Er erinnerte sich jetzt genauer. Mr. Drury war mit Miss Portland zusammen gewesen – und Mr. Timlock. Sie waren manchmal am Sonntag in Peter Burtons Messe gekommen. »Wie geht es Miss Portland?«
Sean sah, dass sich die Züge seiner Mutter verfinsterten. Über Michael Drurys Gesicht zog sogar eine leichte Röte.
»Gut …«, murmelte er. »Sehr gut, soweit ich weiß …«
»Mr. Drury und ich kennen einander aus Irland«, sagte Kathleen. »Wir … kommen aus dem gleichen Dorf. Und jetzt … ja, jetzt wollte er dich kennen lernen.«
Michael stand vor seinem Sohn und sah in ein schmales Gesicht, in dem er neben Kathleens gerader Nase und ihren hohen Wangenknochen auch seine eigenen Züge oder eher die seines Bruders Brian erkannte. Seans Augen waren von hellem Grün, und sie blickten forschend zu ihm auf.
Sein Sohn! Michaels Herz floss über vor Ergriffenheit und Liebe, aber er wusste nicht, was er zu ihm sagen sollte.
»Du … du bist jetzt sechzehn, Sean?«, stammelte er. »Und … und du … du gehst noch zur Schule?«
Sean würdigte ihn keiner Antwort. Das war schließlich offensichtlich.
»Du … bist ein guter Schüler?«
»Ein sehr guter Schüler!«, antwortete Kathleen stolz. »Sean wird nächstes Jahr aufs College gehen.«
Michael versuchte ein Lächeln. »Man … wenn man überlegt,dass wir damals nur ein paar Stunden bei Father O’Brien hatten … ich hab Stunden gebraucht, Kathleen, um dir diesen Brief zu schreiben … Hast du ihn wenigstens bekommen?«
Kathleen nickte und sah ihn an. »Ich hab ihn noch immer«, gestand sie. »Aber ich konnte doch nichts tun …«
Sean sah das Leuchten in ihren und Michaels Augen, das ihn genauso ausschloss wie Lizzie und Claire zuvor.
»Du hast es schon richtig gemacht, Kathleen. Du hast es für ihn getan. Und es hat sich gelohnt. Ein … ein wohlgeratener Junge …«
Sean spürte Ärger in sich aufsteigen. Was sollte das? Seine Mutter neigte sonst nicht dazu, ihn irgendwelchen Bekannten vorzuführen wie einen dressierten Seehund. Das alles hier konnte eigentlich nur eines bedeuten. Und dann waren ihm die beiden eine Erklärung schuldig.
Sean wartete, bis er endlich wieder Michaels Blick erhaschen konnte. Dann hielt er ihn fest.
»Mr. Drury, Sir«, sagte er mit klarer Stimme. »Sie … Sie sind nicht zufällig mein Vater?«
»Es tut mir furchtbar leid, Lizzie.«
Michael versuchte, zerknirscht zu wirken, aber er sah nicht wirklich aus, als bereue er irgendetwas. Ganz im Gegenteil, Lizzie hatte ihn selten so von innen heraus strahlen sehen.
»Aber du musst doch einsehen …«
»Was?«, fragte Lizzie. »Was muss ich einsehen? Dass eine Verlobung nichts mehr gilt, dass alle Pläne umgeworfen werden, dass deine Liebe zu mir von einem Moment zum anderen versiegt – nur weil da eine Frau auftaucht, die du seit siebzehn Jahren nicht gesehen hast? Mit der du nichts gemein hast, außer einer gemeinsamen Herkunft und einer unrühmlichen Vergangenheit?«
Lizzie versuchte, Wut zu empfinden oder wenigstens zu zeigen. Sie musste kämpfen, sie konnte nicht einfach den Kopf in den Sand stecken und aufgeben, auch wenn sie sich im Augenblick nichtsanderes wünschte. Aber Claire hatte Recht: Irgendwann mussten Michael und Kathleen von ihrer rosaroten Wolke herunterkommen und wieder anfangen zu denken. Dann musste sie da sein, und sie durfte nicht verhärmt und verweint und verzweifelt aussehen. Bis zu diesem Morgen hatte Michael sie geliebt. Seine Liebe konnte
Weitere Kostenlose Bücher