Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
die schönste Frau, die Lizzie je gesehen hatte.
Miss Kathie trug ihr Haar aufgesteckt wie Miss Claire, aber ein paar Locken umschmeichelten doch ihr Gesicht wie ein Heiligenschein. Solchen Glanz hatte Lizzie das letzte Mal auf den Goldfeldern gesehen – goldblondes Haar hatte Miss Kathie. Ihr Teint war hell und glatt wie Marmor, nicht einmal die steile Falte auf ihrer Stirn, die auf Konzentration oder auch auf Sorge oder Kummerhindeutete, konnte den vollkommenen Ausdruck dieses Gesichtes beeinträchtigen. All das wurde aber noch übertroffen von ihren leuchtend grünen Augen, einer so intensiven Farbe, wie Lizzie sie vorher nie gesehen hatte. Miss Kathie trug sich aufrecht. Sie war zuvorkommend, aber doch achtunggebietend.
»Meine Freundin hat mir von Ihnen vorgeschwärmt«, begrüßte sie Lizzie freundlich. Eine klare, ausdrucksvolle Stimme, bestimmt auch eine gute Singstimme. Lizzie hätte beinahe mit ihren Geistern gehadert. An der Wiege dieser Frau hatten zweifellos alle Feen gestanden, die an ihrer eigenen gefehlt hatten. »Ich sollte unbedingt zu Ihrer Anprobe kommen.«
»Miss Kathie lebt sonst eher zurückgezogen«, bemerkte Claire. »Aber es wird Zeit, dass sie sich wieder öfter herauswagt. Wir könnten zu Miss Portlands Hochzeit gehen, Kathie, und ihre Brautjungfern spielen. Haben Sie schon Brautjungfern, Miss Portland? Na ja, Kathie und ich sind ja schon ein bisschen zu alt dafür, aber unsere Töchter wären ganz wild darauf.«
Miss Claire plauderte vergnügt, während Mrs. Moriarty und Miss Kathie Lizzie in das geänderte Kleid halfen. Und wieder vollzog sich die Verwandlung. Die Frau im Spiegel war vorher Lizzie gewesen, aber jetzt sah sie wie eine Märchenprinzessin aus, die fast an Miss Kathies Schönheit heranreichte. Mit den wenigen neuen Abnähern saß das Kleid perfekt. Lizzie konnte sich nicht sattsehen an ihrem eigenen Anblick.
»Es ist in der Tat fantastisch!« Auch Miss Kathies Augen leuchteten jetzt vor Begeisterung. »Meine Freundin hat Recht, man muss Sie in dem Kleid fotografieren – oder besser noch malen! Es gibt recht gute Kunstmaler in Dunedin. Sollen wir uns nach einem umhören?«
Lizzie fühlte sich schwindelig. Malen! Jemand sollte sie malen! Sie dachte an die Familienporträts im Hause Busby. Und an die Wand im Wohnzimmer ihrer neuen Farm bei Queenstown.
Sie nickte. »Das wäre wundervoll!«, sgte sie träumerisch. »Das wäre ein Traum. Ich hätte nie gedacht …«
Lizzie drehte sich vor dem Spiegel. Aber dann warf sie einen Blick durchs Schaufenster, und ihr Ausdruck verdüsterte sich.
»Ist das zu glauben!«, schimpfte sie. »Ich muss ganz schnell das Kleid ausziehen, Miss Claire, sonst gibt es ein Unglück! Da drüben auf der anderen Straßenseite steht mein Mann!«
Miss Claire war sofort bereit, ihre Besorgnis zu teilen. »Der wagt sich hierher?«, fragte sie lachend. »Also manchmal müssen die Jungs das Schicksal versuchen! Kommen Sie rasch, Miss Portland, in die Umkleide wird er sich ja nicht trauen. Wir schlagen ihm ein Schnippchen. Bis er hier ist, tragen Sie längst wieder ihre alten Sachen.«
Miss Kathie und Mrs. Moriarty begleiteten Lizzie ins Ankleidezimmer nebenan. Während sie ihr vorsichtig aus der cremeweißen Robe halfen, hörten sie, wie Miss Claire nach draußen lief und mit Michael schimpfte. Er gab launige Worte zurück.
Beim Klang der Stimme, die zu ihnen in den Laden drang, hielt Miss Kathie abrupt inne und erstarrte. Lizzie, die eben in ihren alten Rock schlüpfen wollte, bemerkte zunächst nichts, nur Mrs. Moriarty schaute verblüfft, als ihrer Chefin die Seide aus der Hand floss.
»Ist was, Miss Kathie?«, fragte sie.
Kathleen griff sich an die Stirn. »Nein, ich … ich bin nur …«
Mrs. Moriarty lachte. »Bei uns zu Hause würden sie sagen: Einer ist wohl über Ihr Grab gelaufen …«
Lizzie hatte jetzt Rock und Bluse übergestreift, schloss die Knöpfe und fuhr rasch über ihr Haar. Dann stieß sie die Tür auf. Ihr Gesicht strahlte, wie immer, wenn sie Michael sah. Natürlich war es frech von ihm, herzukommen, aber doch irgendwie nett … Sie lachte ihm entgegen, sah das mutwillige Grinsen in seinem Gesicht – und dann das ungläubige Erbleichen. Michael lächelte nicht mehr, es stand nur noch Verblüffung, Verwirrung in seinem Gesicht geschrieben – und er starrte wie hypnotisiert auf etwas hinter Lizzie.
Lizzie wandte sich um – und erkannte den gleichen Ausdruck auf den schönen Zügen Miss Kathies, die in der Ladentür
Weitere Kostenlose Bücher