Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
selbst zerrissen und vertilgten.
Er wehrte sich verzweifelt, als die Wächter ihm schließlich die Ketten abnahmen und ein paar andere Häftlinge anwiesen, ihn hinauszutragen. »Ich bin noch nicht tot!«, jammerte er. »Nicht … noch nicht … nicht tot …«
Konnte es möglich sein, dass sie sich irrten und ihn bei lebendigem Leib den Haien zum Fraß vorwarfen? Oder irrte er sich, und er war doch schon tot, aber kam nicht in den Himmel, sondern blieb hilflos in seinem Körper gefangen, bis ihn die Würmer – oder die Meerestiere – verzehrt hatten?
Zuletzt hatte ihn eine barmherzige Ohnmacht erfasst, und als er daraus erwachte, meinte er, frische Luft atmen zu können. Er fühlte sich erfrischt, und da war dieses Mädchen, das ihn wusch. Michael flüsterte ihr etwas zu … ein paar schöne Worte, wie damalsMary Kathleen. Das kurze Gespräch ließ ihn in schönere Träume versinken, Träume, in denen es warm war und der Wind in den Feldern am Fluss wehte … nur, dass er hier nach Salz roch. Und das Wasser … es schmeckte bitter …
Michael hustete, als der ungesüßte Tee seinen Gaumen umspielte.
»Trinken Sie, das ist gut für Sie!«
Eine warme, freundliche Stimme sprach ihm zu … Michael spürte, wie jemand seinen Kopf hob, das warme, bittere Gebräu langsam seine Kehle hinunterrann. Gehorsam schluckte er. Immerhin war es Flüssigkeit, sie würde seinen Durst stillen …
Lizzie, die ihm den Tee langsam einflößte, wurde der entzündeten roten Striemen auf Michaels Rücken gewahr und zeigte sich entsetzt. Natürlich waren die Häftlinge auch in Newgate mit Knüppeln zusammengetrieben und mitunter geschlagen worden. Aber dies waren die Spuren von Auspeitschungen.
»Anna …!« Um diese Sache musste sich jemand kümmern, der mehr von Krankenpflege verstand als Lizzie nach Annas kurzer Einführung.
Kurze Zeit später beugten sich sowohl Mrs. Bailiff als auch Anna Portland über Michaels zerschundenen Rücken.
»Schauerlich!«, urteilte Mrs. Bailiff. »Wie im Mittelalter! Wo kommt der Mann her? Irland? Da müssen Zustände herrschen … Mädchen, gut, dass du das entdeckt hast, schau dir jetzt die anderen auch daraufhin an. Die Leute müssen ja am Fieber sterben, wenn das unbehandelt bleibt. Sie helfen mir, Mrs. Portland …«
Lizzie fiel auf, dass Mrs. Bailiff Anna nicht mehr duzte. Die beiden Frauen hatten längst ihre Seelenverwandtschaft erkannt und behandelten einander mit Respekt.
Während Lizzie sich widerwillig von ihrem Patienten trennte und gleich darauf zwei Männer mit ähnlichen Verletzungen ausmachte, wuschen die beiden Frauen Michaels Rücken und behandelten seine Verletzungen erst mal mit Gin. Michael schrie vor Schmerz auf.
Lizzie konnte sich kaum bezähmen, dem Kranken tröstend zuzusprechen und seine Pflegerinnen anzuhalten, etwas vorsichtiger mit ihm umzugehen. Aber dann hielt sie sich zurück. Anna und Mrs. Bailiff würden wissen, was sie taten. Und wenn sie nur ein bisschen Interesse an dem schönen dunkelhaarigen Mann mit der sanften, tiefen Stimme und den betörenden Augen zeigte, würde man sie zweifellos sofort von seiner Pflege abziehen.
Die Frauen versuchten dann, dem Schiffsarzt eine Wundsalbe abzuringen, aber der war um diese Zeit schon nicht mehr nüchtern. Er erinnerte sich nur dunkel, dass seine Amtsvorgänger in früheren Zeiten Holzteer auf solche Wunden geschmiert hatten. Mrs. Bailiff erregte sich darüber noch mehr als über den Anblick der Striemen und verzog sich in ihre Kabine, um gleich darauf mit einem Vorrat an Ringelblumensalbe wiederzukommen.
»Sollte ja eigentlich für meine Hausapotheke sein«, meinte sie bedauernd. »Wer weiß, ob sich da drüben in Australien was Vergleichbares findet. Und bis die Samen aufgehen, die ich mitgenommen habe … Aber jetzt brauchen wir die Salbe hier, wir können die armen Kerle doch nicht verenden lassen wie die Tiere!«
Als Lizzie endlich wieder wagte, sich dem jungen Mann, der es ihr so besonders angetan hatte, zuzuwenden, war Michael sauber verbunden. Er lag jedoch immer noch in heftigem Fieber. Die bessere Versorgung schien ihn geschwächt zu haben. Lizzie flößte ihm erneut Tee und Wasser ein und holte eine weitere Decke. Trotz der Wärme an Deck zitterte Michael am ganzen Körper. Lizzie wäre gern bei ihm geblieben, aber es dämmerte jetzt, und die Wachmannschaften bestanden darauf, die gefangenen Frauen zurück unter Deck zu bringen. Mrs. Bailiff und eine der anderen Pflegerinnen, eine knochige, humorlose Frau
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