Das Gold des Bischofs
lächelte unter seinen gesträubten Augenbrauen hervor. »Die meisten Männer sehen nur eine groÃe Kirche, wenn sie diese Zeichnungen betrachten. Ihr aber habt die Fähigkeit, weiter zu blicken. Wenn sie fertig ist, wird sie das prachtvollste Bauwerk der Christenheit sein, und die Leute werden diese Kathedrale auch in tausend Jahren noch mit Ehrfurcht betrachten. Sterbliche kommen und gehen, aber sie hat Bestand.«
Geoffrey studierte weiterhin die Pläne. Schon die reinen AusmaÃe des Bauwerks, das Flambard errichten wollte, beeindruckten ihn zunehmend. Bisher war die fertige Kathedrale für ihn nur eine unbestimmte Vision gewesen, und trotz seiner lebhaften Vorstellungskraft hatte er die volle GröÃe nicht ermessen können. Jetzt aber verstand er, und ihn ergriff die tiefe Ãberzeugung, dass ihre Fertigstellung mehr Bedeutung hatte als die schäbigen Ränke von Männern wie Flambard. Er betrachtete den Prior und versuchte, in seinen scharfsinnigen Augen zu lesen, die unter den raupenhaften weiÃen Brauen hervorfunkelten. SchlieÃlich gelangte er zu einer Entscheidung und zog das Pergament hervor, das er in Simons Haus entdeckt hatte.
»Heute Morgen fanden wir zufällig die zweite von Flambards Karten«, erklärte er und gab sie dem Prior. »Und zwar in Simons Haus.«
»Aber meintet Ihr nicht, ich, der Sheriff und der Goldschmied wären die drei Empfänger?«, fragte Turgot verwirrt. »Simon ist keiner davon.«
»Vielleicht war er einer der drei Boten«, schlug Geoffrey vor, obwohl er wusste, dass dem nicht so war. »Aber das ist jetzt ohne Bedeutung. Wichtig ist, dass Ihr nun zwei Teile der Karte habt, und das bringt Flambards Schatz dem Säckel der Kathedrale etwas näher.«
Turgot nahm das Pergament und breitete es über dem aus, das Roger ihm gegeben hatte. Alle drei Männer betrachteten es aufmerksam. Das Kreuz auf Rogers Karte war durch das durchscheinende Material deutlich sichtbar, aber es verriet ihnen noch nicht, wo der Schatz verborgen sein könnte.
»Es ist hoffnungslos«, befand Turgot schlieÃlich und blickte auf. »Wir haben zwei Flüsse und eine StraÃe, aber solange wir nicht irgendeinen Hinweis auf den Ort bekommen â den Namen eines Dorfes oder einer Kirche, oder ein eindeutiges Geländemerkmal â, können wir nichts damit anfangen. Flambard ist raffiniert: Seine Pergamente sind tatsächlich unbrauchbar, solange man nicht alle drei zusammen betrachten kann.«
»Und das aus gutem Grund«, befand Geoffrey. »Würden zwei Karten ausreichen, um den Schatz zu finden, dann könnte einer der drei Empfänger mühelos einen weiteren überreden, mit ihm zusammenzuarbeiten und danach die Beute durch zwei zu teilen.«
»Aber all seine Durchtriebenheit war vergebens«, stellte Turgot bedeutungsschwer fest. »Ich habe meine Karte, aber Jarveaux ist tot und Durnais verschwunden.«
»Genau«, pflichtete Roger ihm bei. »Und wir haben keine Ahnung, ob dieser tote Johanniter â Xavier â seine Nachricht dem Sheriff oder dem Goldschmied überbringen sollte.«
»Wir wissen gar nicht, ob er überhaupt eine Karte dabeihatte«, berichtigte ihn Geoffrey. »Wir können nur vermuten, dass er einer der Boten war, aber wir können es nicht beweisen. Vielleicht sollte er auch nur dafür sorgen, dass du den Prior nicht zu einer nächtlichen Schatzsuche überredest, Roger, um ein wenig persönlichen Gewinn einzustreichen.«
»Das würde ich nie tun«, erwiderte Roger hitzig.
»Aber weià Flambard das? Er vertraut niemandem, nicht einmal dem Prior.«
»Ein Johanniter ist tot?«, wollte Turgot wissen und blickte unbehaglich von einem zum anderen. »War es einer der drei, die man so oft in Flambards Gesellschaft sah?«
»Drei?«, fragte Geoffrey nachdenklich. »Es gibt drei von ihnen?«
Turgot nickte. »Xavier, Odard und Gilbert Courcy. Ihr GroÃmeister überstellte sie vor vier Jahren an Flambard als seine persönlichen Leibwächter.«
»Ich kannte mal einen Jungen namens Gilbert Courcy«, grübelte Roger unvermittelt.
»Ihr kennt sie?«, fragte Geoffrey und beachtete Rogers Bemerkung nicht weiter. Ein Kind konnte in dieser Angelegenheit keine Rolle spielen. »War Xavier ein Rothaariger mit einer Narbe?«
Turgot nickte. »Und Odard ist klein und dunkelhaarig, aber seine
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