Das Gold des Columbus
Erschöpften, die über den Paddeln zusammenbrachen.
Jetzt wusste er wieder, wo er war. Er saß in einem von zwei Kanus, die auf dem Weg von Jamaica nach Española waren, und er war kurz davor, zu verdursten. Aber er durfte das Seewasser nicht trinken, denn dann würden ihm die Schmerzen den Verstand rauben. Er faltete die Hände und krallte die Fingernägel in die Handrücken, um nicht der Versuchung zu erliegen, Wasser zu schöpfen.
»Heiliger Nikolaus, du Schutzpatron aller Seefahrer, steh uns bei!«
Die Schlafenden um ihn atmeten schwer und stöhnten manchmal. Der Himmel war dunkel und von großen, glühenden Sternen übersät. Der fast volle Mond stand tief und warf eine breite silberne Straße über das schwarze Wasser. In seinem Licht erkannte Pablo zwei Gestalten im Heck der Kanus, die über den Steuern zusammengesunken waren. Sogar die beiden Kapitäne schliefen.
Aber wer hatte ihn dann gerufen? Ob er nur geträumt hatte? Aber er hatte doch ganz deutlich seinen Namen gehört. Er sah über das Wasser, obwohl er wusste, dass dort nichts sein konnte - so zwingend war das Empfinden. Er glaubte, auf der schimmernden Straße aus Mondlicht eine Gestalt zu erkennen, nein, nur den schwachen Umriss einer Gestalt in einem langen, wallenden Mantel mit einer Mitra 78 auf dem Kopf. Die Spitze der Mitra sah er ganz deutlich, sie ragte schwarz und spitz in die Scheibe des Vollmonds hinein.
Pablo löste seine Finger voneinander und rieb sich mit beiden Handrücken kräftig die Augen. Dann blickte er wieder auf die Silberstraße. Die Gestalt war noch durchsichtiger geworden, wie ein Nebelstreif, aber die Spitze der Mitra war ein klarer, scharfer Umriss gegen den Mond. Der heilige Nikolaus, der Bischof von Myra, hatte während einer Fahrt auf dem Mittelmeer ein Schiff in höchster Seenot vor dem Untergang gerettet. Ob er jetzt auch dem Kanu zu Hilfe kam?
Pablo rutschte irgendwie auf die Knie, faltete wieder die Hände und schloss die Augen. »Heiliger Nikolaus, du Schutzpatron aller Seefahrer, steh uns bei!«
Er öffnete die Augen. Die durchsichtige Gestalt war verschwunden, aber die schwarze Erhebung stand immer noch gegen den Mond. Das Begreifen durchfuhr Pablo wie ein Schlag. Das war eine Insel!
»Land! Land!«, wollte er rufen, aber sein Mund war so ausgedörrt, dass kein Ton herauskam. Er kletterte auf allen vieren über die liegenden Gestalten hinweg und rüttelte den Kapitän am Ärmel.
»Tierra! Tierra!«, krächzte er. »Land!«
Der Kapitän fuhr in die Höhe.
Noch bevor die Sonne aufging, hatten die beiden Kanus die Insel erreicht. Als sie an Land gezogen wurden, rührten sich einige Männer nicht. Zwei Spanier und vier Indianer waren während der Nacht verdurstet.
Die Überlebenden taumelten über die Felsen und suchten Wasser. Pablo konnte kaum die Augen offen halten vor Kopfschmerzen. Er stolperte über einen großen Stein, schlug der Länge nach hin und blieb liegen. So also fühlte sich das Sterben an. Ein Brechreiz würgte ihn, glühende Messer schienen sich in seinen Schädel zu bohren, er bekam keine Luft mehr. So schlimm hatte er sich den Tod nicht vorgestellt! Die Übelkeit wurde so stark, dass ihm am ganzen Körper der kalte Schweiß ausbrach.
Jemand zog ihn in die Höhe und hielt ihm etwas an die Lippen. Wasser!
Pablo spürte, wie die Flüssigkeit seine ausgedorrten Lippen netzte, den rissigen Gaumen und die pelzige Zunge umspülte und langsam in seine trockene Kehle lief. Er schluckte mühsam.
Wasser! Es füllte seinen Mund, und er konnte fühlen, wie es sich in seinem Inneren ausbreitete. Wasser! Er öffnete die Augen.
Kapitän Méndez kniete vor ihm und hielt ihm einen Becher an die Lippen. »Na, das war aber die höchste Zeit! Tut gut, nicht? Trink langsam und genieße jeden Schluck, denn mehr als einen Becher gibt es nicht.«
Jetzt hörte Pablo auch das Rieseln der Quelle.
Kapitän Fieski stand mit gezogenem Handrohr daneben. »Seid vernünftig, Leute! Jeder nur einen Becher! Dankt dem Herrgott, dass ihr nicht tot seid, und riskiert nicht euer Leben. Ihr wisst ja...«
Ein Faustschlag traf seine Schläfe und schleuderte ihn zu Boden. Die Waffe entfiel seiner Hand. Ein Matrose stürzte sich darauf und hob sie auf, ein anderer kniete sich neben die Quelle und trank hastig, die Hände in den Boden gekrallt. Das alles war so schnell gegangen, dass Pablo einige Augenblicke lang glaubte, die gerade überstandene Todesgefahr hätte ihm die Sinne verwirrt.
Er trank langsam weiter und
Weitere Kostenlose Bücher