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Das Gold des Columbus

Das Gold des Columbus

Titel: Das Gold des Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa-Maria Zimmermann
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geflochtener Korb mit einem Deckel. Anacaona wuchtete die Schildkröte hinein und befestigte den Deckel. Dann nahm sie ein Stück Fleisch aus einem hölzernen Napf und warf es ins Wasser. Pablo spürte, wie sich die Leine bewegte und der Fisch nach dem Fleischbrocken schnappte.
    »Wir haben schon gestern Schildkröten gejagt und ich hab ihm die Reste mitgenommen«, erklärte Anacaona. »Er muss nach jedem Fang ein Stück haben, sonst macht er nicht weiter.«
    Als der Korb voll war, zerrten ihn die beiden bis an den Waldrand. Er war zu schwer zum Tragen, sie mussten im Dorf Hilfe holen. Den Saugnapf-Fisch schleppten sie in einem großen irdenen Wassertopf zu einem Tümpel neben der Lagune.
    »Du bringst mir Glück«, sagte Anacaona zufrieden. »So viel habe ich schon lange nicht mehr gefangen. Schildkrötensuppe ist sehr gut. Morgen können wir Eier suchen. Ich weiß eine Stelle am Strand, wo es schon welche gibt.«
    Am nächsten Morgen war sie noch nicht da, als Pablo zur Lagune kam. Er zog sich aus bis auf die Hose und schwamm hinaus. Nach einiger Zeit legte er sich auf den Rücken und ließ sich in der sanften Strömung treiben.
    Rote und weiße Flamingos, die bei seinem Näherkommen wie farbige Wolken in die Höhe gegangen waren, ließen sich jetzt wieder nieder und spiegelten sich im türkisfarbenen Wasser. Der Himmel spannte sich blau und wolkenlos, die Wipfel der Uferbäume wiegten sich im Wind, die vier riesigen Palmen sahen aus wie eine winkende Hand, der Urwald dahinter ragte wie eine grüne Mauer empor. Zwei graue, rotschwänzige Papageien flogen über die Lagune. Am Ufer erschien Anacaona und warf sich ins Wasser.
    Ich wünschte, ich könnte hier bleiben, dachte Pablo. Dann fielen ihm die wartenden Männer auf den wurmzerfressenen Schiffen ein und er schämte sich.

kapitel 13
    W eißt du, wer Tantalus war?«, fragte Kapitän Fieski heiser.
    Pablo schüttelte nur den Kopf. Sein Mund war zu ausgetrocknet zum Reden.
    »Ein König bei den alten Griechen. Der hatte den Göttern seinen eigenen Sohn als Speise vorgesetzt, um ihre Allwissenheit zu prüfen. Zur Strafe wurde er in einem See festgeschmiedet. Immer wenn er sich bückte, um zu trinken, verschwand das Wasser. Und wenn er sich nach den fruchtbeladenen Ästen reckte, wichen sie zurück, sodass er sie nicht erreichen konnte.«
    Juan de Noya grunzte. »Von Früchten ist hier doch gar nichts zu sehen. Und Wasser gibt’s genug, bloß kann man es nicht trinken.«
    »Na, das meine ich doch. Nichts zu essen und nichts zu trinken. Tantalusqualen nennt man das.«
    Juan de Noya grunzte wieder. »Und wie lange hat das gedauert?«
    »Bis in alle Ewigkeit. Es hat nie aufgehört.« »Da haben wir dem Señor Tantalus aber was voraus.« Juan de Noya wischte sich mit dem Hemdsärmel den Schweiß von der Stirn. »Wenn wir nämlich nicht bald was zu saufen kriegen, dann sind wir hin. Verdurstet, um es genau zu sagen.«
    Pablo starrte benommen über das tiefblaue Wasser. Er war fast bewusstlos vor Durst und Hitze und Hunger. Qualen - das war genau das richtige Wort. Den Namen davor hatte er schon wieder vergessen. Was half es denn, wenn irgendwann einmal irgendwer Ähnliches erduldet hatte?
    Er begriff nicht, wieso der Kapitän überhaupt noch solche Gedanken hatte und sie auch aussprach. Ob man widerstandsfähiger war, wenn man eine klassische Bildung hatte? Am dritten Tag ihrer Fahrt hatte er auch ständig von einem alten Griechen geredet. Da waren sie nämlich am Abend in eine Strömung geraten, die sie das ganze Stück zurückgetrieben hatte, das sie tagsüber gerudert waren, vielleicht sogar noch weiter. Der alte Grieche musste zur Strafe einen schweren Felsklotz einen Berg hinaufschieben und immer kurz vorm Gipfel rollte er wieder hinunter. Wie hieß er bloß? Syphi… nein, Sisi… nein. Ach, es war egal.
    Am dritten Tag hatten sie noch Wasser gehabt, zwar lauwarm und brackig, aber sie hatten immerhin ihre ausgedörrten Kehlen damit befeuchten können. Das Paddeln sog einem das Mark aus den Knochen, sogar den Indianern, die doch eigentlich daran gewöhnt waren. Aber eben nicht an solche Gewalttouren.
    Als sie den ersten Tag und die erste Nacht ohne Pause gepaddelt waren, da hatten sie sich geweigert weiterzuarbeiten, und die Kapitäne hatten sie nur dazu gebracht, indem sie kein Wasser mehr austeilten.
    Und heute war der fünfte Tag nach der vierten Nacht und der zweite Tag ohne Wasser und ohne Nahrung. Die See dehnte sich glatt wie ein Spiegel, die Sonne brannte,

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