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Das Gold des Columbus

Das Gold des Columbus

Titel: Das Gold des Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa-Maria Zimmermann
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kein Lufthauch fächelte Kühlung, kein Windstoß füllte die Segel. Sie blieben nur aufgezogen, weil sie ein wenig Schatten brachten. Inzwischen waren die Spanier genauso zum Paddeln eingeteilt wie die Indianer. Sogar die Kapitäne sprangen manchmal ein und saßen außerdem fast ständig am Steuer. Aber die Indianer wurden zusehends schwächer.
    Was hatte der Adelantado in Belén gesagt? »Wenn ich daran denke, wie der spanische Bauer schuften kann… Bei einem Bruchteil dieser Arbeit fällt der Indianer um und stirbt.« Pablo sah Juan de Noya an. Das war ein großer knochiger Kerl mit Händen wie Schaufeln. Der Indianer auf der Bank vor ihm war klein und mager mit Hand- und Fußgelenken wie ein Mädchen. Er ließ auf einmal sein Paddel zu Boden gleiten, beugte sich über den Rand des Kanus, schöpfte mit beiden Händen Wasser aus dem Meer und trank.
    »Um Himmels willen! Sag ihnen, dass sie das nicht dürfen, Pablo!«
    Aber der Indianer achtete nicht auf Pablos Warnung. Stattdessen folgte ein anderer seinem Beispiel.
    »Die Kerlchen haben Recht. Wir gehen ja doch drauf, dann wollen wir wenigstens noch mal saufen. Und zwar nicht zu knapp.«
    Juan de Noya schwang sich über den Rand des Kanus und verschwand im Meer. Einen Augenblick lang saßen alle starr. Da tauchte sein triefender Kopf wieder aus dem Wasser auf, einige Meter von dem Kanu entfernt.
    »Komm sofort zurück, du Idiot.« Kapitän Fieski hätte bestimmt gerne gebrüllt, aber er brachte nur krächzende Laute zustande. »Willst du uns die Haie auf den Hals hetzen?«
    Juan de Noya gab keine Antwort, sondern trank das Seewasser in durstigen Zügen. Dann schwamm er näher und ließ sich ins Boot helfen. Wortlos kniete er sich auf den Boden und griff nach seinem Paddel.
    Kapitän Fieski zog sein Handrohr. »Ich schieße jeden nieder, der diesen Wahnsinn nachmacht. Übersetz das gefälligst, Pablo. Und falls die Eingeborenen meine Waffe nicht kennen sollten, dann mach ihnen klar, dass ich ihnen den Hals umdrehe.«
    Alle Männer im Boot betrachteten den Kapitän mit ausdruckslosen Gesichtern. Sie sahen nicht aus, als ob die Drohworte sie erschreckt hätten. Nach einiger Zeit begannen die drei, die das Salzwasser getrunken hatten, zu würgen und sich zu krümmen. Juan de Noya riss den Mund auf und schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Die Augen quollen ihm fast aus den Höhlen. Er röchelte und griff mit beiden Händen an die Kehle und zerrte an seinem Hemdkragen, als ob ihm der den Hals zuschnüren würde.
    »Wasser!«, ächzte er, warf sich zur Seite und versank im Meer. Die beiden Indianer sprangen ihm nach. Sie machten noch ein paar Schwimmstöße, dann schlugen sie wild mit Armen und Beinen um sich und verschwanden. Der Kapitän feuerte sein Handrohr in die Luft.
    Das Kanu mit Kapitän Méndez glitt näher und ging längsseits. »Bei mir ist das Gleiche passiert«, sagte er düster, nachdem Kapitän Fieski Bericht erstattet hatte. »Zwei Spanier und zwei Eingeborene. Leute, haltet durch! Wir haben es bald geschafft. Es kann nicht mehr weit sein!«
    Die Männer reagierten nicht. Sie saßen zusammengesunken da, mit runden Rücken, halb schlafend, ausgedörrt von der Sonne, und zogen die Ruder mit langsamen Bewegungen durch das Wasser. Allmählich wurde das Paddeln ungleichmäßiger und noch langsamer. Wir sind in einem Albtraum gefangen, dachte Pablo, der kaum noch wusste, ob er seine Arme bewegte oder ob er schon schlief.
    Die Kapitäne beschworen die Männer weiterzurudern. Sie versuchten es auch, aber einer nach dem anderen sank zu Boden und schlief ein. Bevor ihm die Augen zufielen, sah Pablo, wie die Kapitäne die Kanus mit Stricken aneinander banden und selbst zu den Paddeln griffen.
    Er wurde wach, weil ihn eine Stimme beim Namen rief. Er öffnete die Augen und vermochte in der Dunkelheit nichts zu erkennen außer einigen Umrissen, die er nicht einordnen konnte. Einige Augenblicke lang wusste er nicht, wo er war. Seine Zunge lag wie ein dickes, pelziges Tier in seinem Mund, als ob sie ihn ersticken wollte. Er öffnete die Lippen und zog röchelnd die Luft ein.
    Wasser, dachte er. Ich verdurste.
    Direkt neben ihm plätscherte es. Er streckte die Hand aus. Da war Wasser. Er leckte die Finger ab. Sie schmeckten zwar nass, aber widerlich salzig. Und mit diesem abscheulichen Geschmack im Mund kam auf einmal die Erinnerung wieder. Die Erinnerung an die glühende Sonne und an die würgenden Männer und an ihr Versinken im Meer und an die

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