Das Gold von Karthago
ließen sich auf den Kissen nieder. Die drei dunklen Begleiter waren nicht im Raum; Qadhir stand mit verschränkten Armen in der Öffnung zum Gang, durch den sie gekommen waren. In einem Nebenzimmer wurde ein Brett bewegt, offenbar ein Fensterladen; Rinnsale von Tageslicht sickerten durch den Vorhang, der aus Schnüren mit blassen Tonperlen bestand.
Gulussa klatschte in die Hände. Etwas Gewaltiges schien sich im anderen Raum zu bewegen, über Bodenbretter, die ächzten und bebten. Der Schnurvorhang wurde nicht etwa geteilt, sondern schäumte ins Zimmer – Brandung, getrieben von einer ungeheuren Frau. Sie war mindestens zwei Köpfe größer als Bomilkar und konnte den Durchgang, den sie nach beiden Seiten ausfüllte, nur gebückt nehmen. Vermutlich wog sie soviel wie drei Männer. Sie trug eine Silberplatte mit vier Bechern und einem Krug, aus dem Dampf quoll, der nach Kräutern, Früchten und Wein duftete. Langsam und mühselig ging sie in die Knie, um die Platte auf den Boden zu stellen. Bekleidet war sie mit zwei rot und weiß gestreiften Tuchbahnen, seitlich durch Bänder zusammengehalten; dazwischen waren gute zwei Handbreiten weißen Fleischs zu sehen. Keine Wülste oder Kringel, sondern straffe helle Haut.
Als sie die Platte abgesetzt hatte und sich, noch immer kniend, wieder aufrichtete, blickte sie einen Atemzug lang Bomilkar an, der ihr am nächsten saß. Ein spöttisches Lächeln kroch über ihre Züge, als sie seine Verblüffung sah.
Das Gesicht war vollkommen, makellos: das Antlitz der schönsten Frau, die Bomilkar je gesehen hatte. Die sahnige Haut konnte kaum je an die Sonne gelangt sein; die geschwungenen roten Lippen brauchten keine Schminke; die Linien der Nase und die Wölbung der Brauen hätten einem hellenischen Bildhauer gelungen sein können, der Aphrodite darzustellen begehrte. Ohrmuscheln wie aus Elefantenbein geschnitzt, das Haar hauchfeine Nachtfäden, ein schlanker Hals ohne Falten, und scharfer Verstand in den ruhigen Augen, die spöttisch blickten – schwarze Augen, von Rot umgeben.
Bomilkar war so sehr mit dem Anblick dieser Frau beschäftigt, daß er fast vergaß, weshalb sie blindlings diesen langen Weg zurückgelegt hatten. Wahrscheinlich war seit Gulussas Frage keine meßbare Zeit verstrichen, aber Daniels Antwort kam plötzlich, störend, scheppernd, wie ein stürzender Krug, der am Ende einer langen Stille birst.
»Als ich, damals, also, du weißt, ah – Hamilkar der Stratege hat mich zum Verwalter seiner Besitzungen in der Byssatis gemacht. Es ist sein Wunsch, daß ich nicht dorthin heimkehre, bis der Fund eines toten Römers gewissermaßen in Hamilkars Garten geklärt ist.«
Die Frau füllte die Becher mit dem duftenden Trank; dann stand sie auf, scheinbar völlig mühelos, und ging zurück ins Nebenzimmer.
Gulussa nahm einen Becher, hob ihn, deutete auf die drei anderen und sagte: »Trinkt. Also Hamilkars Auftrag? Und was sagt der Herr der Wächter dazu?«
Bomilkar begann zu sprechen, brachte aber keinen Ton heraus. Er mußte sich räuspern, ehe er reden konnte. »Der Herr der Wächter ist dankbar für jede Hilfe in dieser wirren Sache.«
Gulussa nickte, ohne eine Miene zu verziehen. Er blickte Laetilius an; den nächsten Satz sagte er auf Lateinisch. »Und du, Römer, führst den Auftrag von Senat und Volk aus, oder gehorchst du den Weisungen des Ratsherren Arish?«
Für Bomilkar klang Gulussas Rede fehlerfrei wie die eines echten Römers; er war kaum überrascht, als Laetilius in nahezu makellosem Punisch antwortete: »Ich danke dem edlen Gulussa für Gruß, Trunk und freundliche Worte. Ich soll im Auftrag von Senat und Volk feststellen, unter welchen Umständen Marcus Lavinius gestorben ist, und ich soll dies erfolgreich tun, ohne wichtige Männer dieser Stadt zu verärgern.«
Gulussa lächelte. »Eine kluge Antwort.« Die Stimme klang immer noch wie die eines kranken Mannes. »Ich weiß nicht, wer ihn ermordet hat. Gleiches gilt für den Feldarbeiter. Qadhir.«
Die Namensnennung war ein Befehl. Qadhir trat einen halben Schritt vor, blickte zunächst Daniel an, dann Bomilkar, und sagte: »Jemand, wir wissen nicht wer, hat einen unserer Männer niedergeschlagen. Der Name ist Zirdan. Er wurde verschleppt; danach befand er sich in den Händen von Arishs Dienern, und angeblich hatte er einen Beutel bei sich, in dem Gegenstände waren, die dem toten Lavinius gehört haben sollen.«
»Wo und wann ist das geschehen? Hat jemand es gesehen? «
Qadhir nickte.
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