Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
mit dem einen oder anderen Übermittler von Kenntnissen zu treffen.

    »Mir ist nichts geschehen, aber ich war immer froh, heil herauszukommen.«
    »Was sind das für Leute? Wovon leben sie?«
    »Die meisten sind Handlanger und Tagelöhner, in den Marktgärten, auf größeren Fischerbooten, in irgendwelchen Betrieben. Gaukler, Schlangenmenschen, Taschenspieler, Musiker … Leute, die nicht genug Geld für andere Gegenden haben. Dirnen, Tänzerinnen, was du willst. Und natürlich der übliche Abschaum – Diebe, Schmuggler, Wegelagerer, Karawanenräuber. Es dürften sich hier auch etliche begabte Mörder aufhalten.«
    Im unebenen Ziegelpflaster der engen Gassen gab es tiefe schlammige Löcher; nicht jedoch in der Bebauung. Die Häuser bildeten lückenlose Reihen; zwischen den zweigeschossigen Gebäuden aus Lehmziegeln und Balken standen nur wenige Steinhäuser, auch sie meist nicht höher als die anderen. Die Hauseingänge lagen hüfthoch über der Straße, von der Leitern oder, selten, Stufen hinaufführten. Man sah kaum verschließbare Eingänge, keine hölzernen Läden, allenfalls Vorhänge aus billigem Stoff, Fellen oder abgewetztem Leder, und zur Straße hin gab es in fast keinem Haus Fensteröffnungen. Anfangs spielten nackte Kinder auf der Gasse; als die drei dunkelgekleideten Männer dazukamen, dauerte es nicht lange, bis Mütter oder ältere Schwestern die Kinder in die Häuser holten. An einem kleinen dreieckigen Platz sahen sie steinerne Tröge, an denen Frauen des Viertels wuschen; das Wasser mußte in Töpfen oder Bälgen herbeigeschafft worden sein und verschwand in einem Loch, das wahrscheinlich zu einer unterirdischen Röhre gehörte. Bomilkar nahm an, daß sie unter der Seemauer zur Bucht führte. Als die Gruppe den Platz überquerte, wandten sich die Frauen nicht um, stellten aber wie auf ein Zeichen hin das Waschen ein. Ringsum war es beklemmend still; Bomilkars Nackenhaare sträubten sich, und mit einem Seitenblick stellte er fest, daß Laetilius nicht eben heiter wirkte. Nur Daniel war nichts anzumerken.

    Der nächste kleine Platz, den sie erreichten, mochte bereits in der Nähe der Byrsamauer liegen – vielleicht grenzten die Häuser nach Norden hin an den Wall, der die alte Unterstadt vom Hügel mit seinen Tempeln und den Palästen der Reichen trennte. Qadhir blieb stehen und hob die Tuchstreifen; seine Miene drückte so etwas wie eine Bitte um Verständnis aus.
    »Na los«, sagte Daniel. »Aber stellt mir bloß kein Bein, wenn ich nichts sehe.«
    »Sie werden damit warten, bis du wieder ohne Binde bist, aber dann …«
    Laetilius stöhnte leise, als ob er sagen wollte: Haltet doch beide das Maul.
    Die drei Aufpasser schwiegen, ohne eine Miene zu verziehen, während Qadhir immerhin schwach lächelte. Als die Augen verbunden waren, bemühte Bomilkar sich, auf Richtungen, Steigungen, Bodenbeschaffenheit, das Hallen der Schritte und anderes zu achten. Der Versuch endete bald.
    Man führte sie ein paar Stufen hinauf, durch einen Hausgang, dann zu einer Treppe; als sie oben angekommen waren, gab es den nächsten Gang, eine scharfe Biegung nach rechts, eine Leiter, wieder einen Gang (diesmal knirschte brüchiges Holz unter den Füßen), dann eine Treppe abwärts, einen Innenhof mit Wasser, mehrere Leitern hinauf und hinab, eine Röhre, durch die man kriechen mußte, noch mehr Gänge, Biegungen, Stiegen, Höfe.
    Irgendwann, als sie eine Meile vom letzten gesehenen Platz entfernt oder wieder im ersten Haus sein konnten, nahm man ihnen die Binden ab. Sie standen in einem fensterlosen Raum, den nur eine Öllampe erhellte. Auf den alten, ausgetretenen Bohlen lagen Kissen und Decken; ansonsten war das Zimmer kahl.
    Auf einem der Kissen saß ein hagerer Mann, in einen hellen Umhang gewickelt. Bomilkar fragte sich, ob das Gulussa sein konnte; er hatte ihn sich riesig vorgestellt, nicht schmal, gebeugt, mit einer Nase, die einem Geierschnabel
glich. Der Mann musterte sie mit einem verhaltenen Lächeln, das zum Grinsen wurde, als Daniel den Inhalt seiner Nase hochzog und sagte:
    »Ich hätte gedacht, der kleine Gemüsedieb wäre ein wenig umfangreicher geworden. Leidest du an Hungermangel oder an üppiger Kargheit, o Gulussa, Gipfel der Niederungen? «
    »Auszehrung des Gemüts. Setzt euch. Was ist deine Rolle hierbei, Daniel?«
    Es war eine herbe Stimme, rauh, mit einem unterschwelligen Knarren wie von alten Planken. Nicht die Stimme eines Mannes, der kaum älter als fünfunddreißig sein konnte.
    Sie

Weitere Kostenlose Bücher