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Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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welchem Zweck. Er döste ein, als er seine Sachen zu den Pferden gebracht hatte und sich dort ein wenig ausruhen wollte.
    Abends weckte ihn Rushan; ihr Gesicht war von Erschöpfung gezeichnet, strahlte aber auch etwas Fremdes aus. Er folgte ihr zu einer der schnell eingerichteten Feldküchen, wo sie je einen Napf mit fettiger Brühe, einen Brotfladen und etwas verdünnten Wein erhielten. Beim Essen, auf dem Boden, neben dem Aufgang zur Westmauer, sprachen sie kaum; Bomilkar musterte sie immer wieder. Schließlich wischte er sich die Finger am längst nicht mehr hellen kitun und sagte:

    »Was hat dich verändert?«
    »Sieht man das?«
    Er nickte.
    »Der Kampf?« Sie hob die Schultern. »Vielleicht. Hannibal zu sehen, wie er Männer führt, die ihn für einen jungen Gott halten? Das wußte ich vorher, wenn ich es heute auch zum ersten Mal gesehen habe.« Sie schloß die Augen; beinahe träumerisch fuhr sie fort: »Oder die neue Aufgabe? Oder alles zusammen?«
    »Welche Aufgabe ist es?«
    »Bis Hasdrubal herkommt, um alles neu zu ordnen, habe ich zusammen mit Hannibals bestem Offizier, Atbal, die Anlage zu hüten und Pläne für die Zukunft der Geiseln zu machen. Ich werde versuchen festzustellen, wer treu ist und wer in Versuchung geführt werden könnte.«
    Bomilkar lachte. »Ich, zum Beispiel.«
    »Hast du noch genug Kraft?«
    »Wir werden uns vermutlich nie wieder sehen, was ich bedaure, und da wäre ein schlichtes Winken zum Abschied … wenig.«
    »Komm.«
    Er folgte ihr in den Tempel. Hinter den Göttern, am Ende des Altarraums, führte in einer Nische eine schmale Treppe aufwärts. Hoch oben, über dem gewaltigen Innenraum, gab es eine Reihe von Unterkünften für Priester oder Gäste; eines der Gemächer hatte Rushan gefordert und erhalten.
    »Schnell, aber ohne Hast«, sagte sie, als sie sich auszogen.
    In der Nacht erwachte er und sah im matten Sternenlicht, das durch die kleine Luke fiel, daß Rushan ihn betrachtete. »Schläfst du nie?« sagte er.
    »Ich war eben wach geworden und überlegte, ob ich dich wecken soll.«
    »Hm. Weck mich.«
    Später fragte er sie nach den Dingen im Inneren der Anlage, aber entweder wußte sie nicht viel, oder es gab dort
nicht viel Wissenswertes. Oder sie wollte nicht darüber reden.
    Morgens küßte sie ihn. »Es war gut; nun ist es vorbei, und auch das ist gut.« Sie nahm ihn bei den Ohren und sah ihn fest an. »Sieh dich vor. Das lange Schwert von Titus Laetilius … Er hat es im Kampf benutzt.«
    »Was willst du mir sagen?«
    Ein Priester öffnete die Tür des Gemachs. »Bomilkar? Ah, gut. Beeil dich; Hannibal will gleich aufbrechen.«
    Auf der steilen Treppe fragte er sie noch einmal, aber sie sagte nur: »Wenn es wichtig ist, wirst du selbst darauf kommen; wenn nicht, will ich keine Windwölfe aufscheuchen.«
     
    Hannibal nahm zwanzig erfahrene Numider, hundert seiner Iberer und hundertfünfzig Gefangene mit, die ohne Fesseln ritten, allerdings auch ohne Waffen. Laetilius hatte alles beobachtet, während Bomilkar bei Rushan gewesen war, und erzählte immer noch staunend von Hannibals Unterredungen mit den Führern der Gefangenen, von feierlichen Schwüren und dem Verzehr von Brot und Salz.
    »Das sind keine Gefangenen mehr, es sind neue Krieger«, sagte der Römer. »Gestern niedergerungen, heute treu – kann das sein?«
    »Ihr habt doch zwei oder drei Bundesgenossen; gestern niedergemetzelt, heute treu – kann das denn sein?« Bomilkar gluckste. »Die Sabiner, zum Beispiel, oder die Etrusker, mit denen wir schon Verträge geschlossen haben, als sie noch eure Herren waren und Rom ein sumpfiges Dorf. Nichts ist unmöglich, wenn es richtig gemacht wird. Und kennst du jemanden, der es besser macht als dieser … Knabe da vorn? Du würdest doch selbst Brot und Salz mit ihm teilen.«
    Laetilius lächelte schwach. »Erwischt. Er ist wirklich… ah, was immer er ist. Aber würde er Brot und Salz mit einem Römer essen?«
    Bomilkar schwieg eine Weile; schließlich sagte er: »Warum nicht? Angeblich hat er im Baal-Tempel von Qart Hadasht
geschworen, nie ein Freund Roms zu sein. Rom, das ist die Gesamtheit dessen, was die Oikumene bedroht – Vertragsbrecher, die ihre Herrschaft und Sprache …«
    »Nicht schon wieder«, knurrte Laetilius.
    »… über die ganze Welt ausdehnen wollen. Aber ein einzelner Römer?«
    Sie ritten eine Weile schweigend nebeneinander. Weiter vorn, gleich hinter der Spitze des Zugs, entließ Hannibal eben einen Iberer, der lange neben ihm geritten

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