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Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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könnt ihr hinterher! « Der Offizier – ein paar Schritte links von Bomilkar – grinste, prüfte den Sitz der um die Schultern gebundenen Waffen und begann mit dem Abstieg.
    Bomilkar war bei den ersten hundert. Noch immer hatte er weder Rushan noch Qadhir noch Laetilius gesehen; kein Wunder bei dem nächtlichen Gedränge. Es bekümmerte ihn auch nicht; ihn beschäftigte nur der Abstieg: die steile Fläche, schmerzende Hände, tastende Füße. Das fragenlose Vertrauen zu den Männern, die das doppelte Seil hielten. Und das, was unten wartete.
    Hannibal und zwei seiner Offiziere erreichten als erste den gepflasterten Hof hinter dem Haupttempel. Noch ehe die nächsten Männer den Boden berührten, liefen die drei bereits lautlos nach vorn, kurze Schwerter in den Händen. Ein Gurgeln, ein überraschter, halberstickter Ausruf, dann das Klirren einer stürzenden Waffe; mehr nicht. Zunächst.

    Aber das matte Klirren genügte. Aus einem der niedrigen Nebengebäude des Tempels drang eine tiefe Männerstimme. Als keine befriedigende Antwort kam, hörte man drinnen Geraschel, das Scheppern eilig ergriffener Waffen, weitere Rufe.
    Bomilkar und ein paar andere stürzten zur Türöffnung, um den Leuten den Ausweg zu versperren. Die ersten Klingen trafen aufeinander; Geklirr und Schreie zogen immer mehr Krieger herbei. Jemand warf harziges Holz auf eines der beiden Feuer, das aufloderte und alles in blutrotes Zwielicht tauchte; der unwirkliche Geruch des Nadelholzes mischte sich mit dem von Schweiß, Blut und Kot. Die Kämpfer schienen zu tanzen, Schwerter waren leckende Flackerzungen, selbst die Mauern der Tempelgebäude zuckten. Von überall stießen weitere Iberer zu den Verteidigern der Anlage – nackte Männer, aus dem Schlaf gerissen, deswegen nicht minder rasende Kämpfer. Sie mochten im Haupttempel geschlafen haben, in Nischen, auf der Mauer oder zwischen den Türmen, und es waren weit mehr als achthundert. Hannibals achthundert Krieger dagegen, wach, aber nicht eben frisch nach dem langen Ritt und dem Klettern, kamen viel langsamer den Hang herab als erhofft. Wahrscheinlich, sagte sich Bomilkar später, waren es nur wenige Atemzüge; viele Männer hatten aufgeschürfte Handflächen, weil sie eilig zu den Kameraden hinabgerutscht waren, statt sich Hand über Hand abzulassen. Aber alles dauerte lang und ging gleichzeitig verwirrend schnell. Er trieb einem Iberer den kurzen Speer in den Hals, trennte einem anderen, der auf einen gestürzten Numider eindrang, den Schwertarm von der Schulter und sah das langsame Lächeln des Numiders, der aufzustehen begann, die träg wachsende Pfütze auf dem hellen Umhang des Reiters, das zähe Staunen im Gesicht des Verstümmelten, aus dessen Wunde rote Gischt auf den Umhang des Numiders schäumte, der lächelnd aufstand und zusammenbrach, vom Speer eines nackten Iberers getroffen, dessen
furchterregendes Glied wie eine zweite Waffe ragte, und fast bedauerte Bomilkar den Stich seines Schwerts, der Lust und Leben des Mannes beendete. Er rutschte in einer Lache aus, taumelte, fing sich, sah einen Verwundeten fortkriechen, die rechte Hand auf den offenen Bauch gedrückt, aus dem Schlangen quollen. Dann plötzlich, überwältigend klar und ruhig im lärmenden Durcheinander, Hannibal, an der Spitze eines Keils, den er mit einigen Offizieren und großgewachsenen Kriegern bildete. Irgendwo hatten sie Schilde aufgetrieben, die sie vor sich hielten, die Speere waagerecht nach außen gereckt, und so rannten sie in den dichtesten Haufen der Verteidiger, sprengten ihn, machten kehrt, falteten sich auf zu einer Reihe, umfaßten das Gewirr und drängten es wieder zu einem Haufen zusammen. Einem wehrlosen, eingekesselten Haufen diesmal.
    Irgendwann endete der Kampf, wie ein Wind zu wehen aufhört. Niemand gab den Befehl zum Niederlegen der Waffen; es geschah einfach. Die erfahrenen Krieger des Barkiden wußten, daß sie gegen vierfache Übermacht gesiegt hatten. Hatten von Anfang an gewußt, daß sie dank der Ausbildung, der Überraschung und des jungen Strategen siegen würden; als Bomilkar in sich hineinhorchte, wurde ihm klar, daß auch er nie daran gezweifelt hatte. Und er staunte.
    Im Frühlicht trieben sie die Gefangenen zusammen, zählten sie, warfen die Waffen auf einen stetig wachsenden Haufen. Als Rushan sich an ihm vorüberdrängte, hielt Bomilkar sie am Ärmel fest. Sie trug einen Brustpanzer – Leder, mit Bronzestreifen besetzt –, und der weiße kitun darunter war

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