Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
blutbespritzt.
    »Hast du etwa gekämpft?«
    Sie lächelte, riß sich los und lief weiter. »Natürlich«, sagte sie über die Schulter. »Ich will doch wissen, was Männer am meisten erregt. Hannibal hat mich rufen lassen. Bis später.«

    Er blickte ihr nach, sah sie im Schlund des Tempels verschwinden.
    Sie zählten. Fast fünfhundert tote Gegner und mehr als tausend Verwundete, von denen etliche den vollen Morgen nicht erleben konnten. Bomilkar überließ es nur zu gern anderen, die Schwerverwundeten zu töten; diesen Teil hatte er immer gehaßt. Die Numider, die die Aufgabe übernahmen, töteten auch die eigenen Leute, deren Wunden keinerlei Hoffnung auf Heilung zuließen.
    Er staunte abermals, als er erfuhr, daß sie nur zweiunddreißig Tote zu verzeichnen hatten, einschließlich der nicht überlebenden Verletzten. An die hundert hatten leichtere oder schwerere Schnitte davongetragen; wie er selbst, aber die Wunden am rechten Unterarm und an der linken Schulter begannen bereits zu verkrusten und brauchten keine Behandlung.
    Er fand Laetilius bei denen, die die Leichen zusammentrugen. Der Römer hatte eine Schramme an der Stirn, sonst nichts.
    »Hast du dich nicht zurückhalten können?« sagte Bomilkar.
    Laetilius grinste, wurde aber gleich wieder ernst. »Der da auch nicht.« Er deutete auf einen Toten.
    Es war Qadhir. Bomilkar bückte sich und betrachtete den schweigsamen und nun verstummten Reisegefährten. Ein Unterarm fehlte, Brust und Gesicht wiesen tiefe Wunden auf, aber der tödliche Schlag mußte von hinten gekommen sein: ein Schwerthieb, der den Nacken und die Wirbel zertrümmert hatte.
    »Hat er dir unterwegs noch etwas gesagt?«
    Laetilius hob die Brauen. »Was hätte er mir sagen sollen?«
    »Er wollte sich in Kastulo umschauen.«
    »Ich weiß von nichts.«
    »Wie kommt ein Römer dazu, für uns zur Waffe zu greifen?«

    Laetilius starrte ihn an, schaute dann auf die Toten, den Tempel, das Morgenlicht. »Sie sind … großartig«, sagte er leise. »Hannibals Krieger. So etwas habe ich nie gesehen. Oder gespürt. Ob es für die Makedonen, die mit Alexander zogen, so ähnlich war?«
     
    Am Vormittag kamen die Pferde, von den letzten Männern, die nicht mehr am Kampf teilgenommen hatten, um den Berg herbeigebracht. Im Tal wurden gewaltige Scheiterhaufen errichtet; nach und nach schleppte man die Gefallenen dorthin.
    Zwei iberische Priester in schwarzen Gewändern stellten eine Feuerschale auf die oberste Stufe des Tempelzugangs und errichteten darüber einen Dreifuß, an dem ein Eisenkessel hing. Ein dritter Schwarzgekleideter brachte eine Handvoll grauer Metallklumpen und ließ sie in den Kessel fallen.
    Bomilkar hatte Tote geschleppt und sich am Entwaffnen, Fesseln und Versorgen der Gefangenen beteiligt; er hatte im Stehen eine Handvoll Körner gegessen und einen Becher Brühe geschlürft. Zu erschöpft für klare Gedanken, zu erregt für Ruhe, schlenderte er zwischen den Gebäuden umher, die alle auf der gleichen Ebene standen, begrenzt von der Mauer, deren Brüstung kaum eine Mannslänge über die Fläche der Anlage aufragte. Vorratshäuser, Unterkünfte, ein großes Badehaus, dessen Wasserbehälter durch ein Schöpfrad aus einem am Talboden innerhalb des überbauten Gevierts liegenden Brunnen versorgt wurde; einen halben Atemzug lang fragte er sich, was wohl sonst noch unter der Gebäudeebene liegen mochte. Aber dann irrten seine Gedanken ab, schweiften ziellos durch Erinnerungsfetzen und bunte Schlieren: wabernde Rahmen, in denen unordentliche Bilder des Kampfs nie lange genug geborgen waren, daß er sie gründlich hätte betrachten können.
    Er näherte sich dem Tempel, der in der Mitte der Oberfläche des gewaltigen Würfels stand. An der Vorderseite,
unter dem von schlanken Säulen getragenen Vordach, waren noch immer zwei Priester mit dem Kessel beschäftigt, in dem einer mit einer Stange rührte. Bomilkar stieg die sieben Stufen zu einem Seiteneingang hinauf und ging ins Innere.
    Die Düsternis der großen Halle wurde von einigen Fackeln in Eisenständern eher zerrissen denn erhellt: als ob flackernde Risse in einem Vorhang aus Finsternis sich gleich wieder schließen müßten. Dumpfes Glühen aus mehreren Becken machte alles noch unwirklicher. Rauchschwaden füllten den Tempel mit dem Geruch von Opferharz und Holzkohle. Ein uralter eiserner, rostiger Baal stand in der Mitte der Rückwand; seine Augenhöhlen schienen mit Glas oder Kristall gefüllt und nahmen das dumpfrote Glühen der

Weitere Kostenlose Bücher