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Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Becken auf. Namenlose iberische Götter der vielen Stämme umstanden ihn: der unirdische Wolf der Winde, eine Sphinx mit rotbemalten Reißzähnen, ein aus fleischfarbenem Stein gehauener Greif, dessen Löwenmaul sich der verkrümmten Gestalt eines Kindes aus dunklerem Stein näherte, die die Raubvogelkrallen hielten. Sechs iberische Priester und ein Punier in blutrotem Gewand gingen zwischen den Götterbildern auf und ab, murmelten, sangen eintönig, streuten Opfergaben auf die glühenden Becken. Nicht weit von dem einen großen, flachen Altarstein entfernt, auf dem die Reste eines Widders lagen, standen und saßen an die fünfzig meist junge Männer und Frauen, die sich leise unterhielten; Rushan war bei ihnen, und Bomilkar erinnerte sich an Hamilkars Bemerkungen über ihre Aufgabe bei den Geiseln – vermutlich also diese jungen Leute, die alle Auseinandersetzungen überlebt hatten. Weiter links, in einer Pfütze aus bernsteinfarbenem Licht ohne erkennbaren Ursprung, stand Hannibal mit einer schönen, stillen, schlanken Frau. Eher ein Mädchen, kaum älter als vierzehn, aber irgendwie jenseits allen Alters. Sie standen dort und sahen einander an, ohne Berührung, ohne sich zu bewegen. Iturun, Tochter des Königs von Kastulo; den Namen hatte Bomilkar von einigen Kriegern
gehört, und auch, daß sie bald den punischen Namen Himilke annehmen und mit Hannibal vermählt werden würde. Etwas Seltsames war in dem Anblick, etwas weit jenseits einer gegenseitigen Berührung. Zwei Bernsteinflammen. Bomilkars Augen begannen zu brennen; er wandte sich ab und ging. Draußen setzte er sich mit dem Rücken an die Mauer eines Lagerhauses und schloß die Augen. Er wollte nicht schlafen, er wollte diesen Anblick bewahren.
    Ein Hornstoß weckte ihn; der Numider vor dem Tempel setzte das Instrument ab, als habe er nur Bomilkar wecken wollen.
    Dann erschien Hannibal auf den Stufen, wo die Gefangenen hockten und warteten; bei ihm waren ein paar kräftige Männer, die einen Iberer führten, und Rushan, die ein wenig bleich schien. Es folgten in langer Reihe die Geiseln.
    Nun erst sah Bomilkar, daß der von den kräftigen Männern geführte Iberer die Hände auf den Rücken gefesselt trug; den Mund konnte er nicht schließen, da man ihm ein kleines Gestell zwischen die Zähne geklemmt hatte.
    Hannibals Krieger, die Gefangenen, die Geiseln, die Priester – alle standen, teils durch Stöße und Tritte dazu gebracht. Hannibal trat zurück, auf die oberste Stufe; erstmals sah Bomilkar ihn deutlich, den jungen Mann, der den verwegenen Nachtangriff geführt und achthundert Männer zu einem phantastischen Wesen verschmolzen hatte. Mittelgroß, schlank, die nackten Oberarme kraftvoll, das Gesicht jung und ohne besondere Eigenarten – fast war er enttäuscht. Aber dann spürte er wieder die seltsame Spannung, die eindeutig von Hamilkars Sohn ausging. Er streifte Laetilius mit einem Blick. Die Augen des Römers hingen an Hannibal; sie leuchteten.
    Hannibal deutete auf den Gefangenen, der unter ihm stand. Mit klarer, weittragender Stimme sagte er:
    »Er war ein Fürst. Er wurde ein Verräter. Bald wird er nichts sein. Mit Hamilkar und Hasdrubal hat er Brot und Salz geteilt, er hat das Silber von Qart Hadasht angenommen
und uns dafür blutiges Eisen gegeben. Ich gebe ihm geschmolzenes Blei.«
    Die Priester ergriffen lange Zangen, nahmen den Kessel vom Dreifuß und leerten ihn in den Schlund des Gefangenen.
     
    Von den Vorgängen des restlichen Tags sah Bomilkar nur hier und da etwas, wie durch einen Schleier. Da er nicht der Truppe angehörte, hatte er keine gewöhnlichen Aufgaben zu übernehmen, und die ungewöhnlichen waren erledigt. Er stellte fest, daß Laetilius das lange Schwert zu seinen Sachen legte. Danach lief der Römer umher, offenbar nicht zu erschöpft, um sich mit zahllosen Kriegern zu unterhalten, Fragen zu stellen, Geschichten auszutauschen. Mit müdem Spott sagte sich Bomilkar, daß die Reise zwar nicht zur Erhellung der mörderischen Rätsel beigetragen habe, aber immerhin hatte sie einen jungen römischen Offizier zum haltlosen Verehrer des Barkidensohns gemacht.
    Am Nachmittag brach eine erste Gruppe von Gefangenen unter numidischer Bedeckung auf; sie sollten zu einer zwei Tagesreisen entfernten Festung gebracht werden. Hannibal war den ganzen Tag auf den Beinen; er verhörte Gefangene und schien sie in zwei Gruppen zu teilen, ohne daß Bomilkar hätte erkennen können, auf Grund welcher Überlegungen dies geschah, oder zu

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