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Das Gold von Sparta

Das Gold von Sparta

Titel: Das Gold von Sparta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
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allzu lange warten lassen!«

46
    »Und gleich werden Sie mein musikalisches Talent kennenlernen«, sagte der Schiffskapitän in sauberem, aber alles andere als akzentfreiem Englisch. Er drosselte die Maschine – das Schiff verlor an Fahrt. »Auf der rechten Seite sehen Sie die Echowand.«
    Zusammen mit den anderen zwanzig Schiffspassagieren drehten sich Sam und Remi auf ihren Plätzen um und blickten nach Steuerbord. Sie befanden sich an Bord eines der achtzehn überdachten, elektrisch angetriebenen Ausflugsschiffe, die von der Bayerischen Seenschifffahrt auf dem Königssee betrieben wurden. Es gab zwei Schiffstypen – ein zwanzig Meter langes Modell, das fünfundachtzig Passagieren Platz bot, und dann war da noch Sams und Remis Modell, ein sechs Meter langes Boot für fünfundzwanzig Passagiere.
    Sie konnten sehen, wie sich einen halben Kilometer entfernt eine stellenweise dicht bewaldete Felswand aus dem Dunst schälte. Der Kapitän nahm ein golden glänzendes Flügelhorn aus einem Fach unter dem Armaturenbrett, setzte es an die Lippen, blies einige klagende Töne, dann ließ er das Instrument wieder sinken. Zwei Sekunden lang herrschte Stille, und nun kamen die Töne sauber und völlig unverzerrt wieder zurück.
    Die Passagiere lachten und applaudierten begeistert.
    »Bedenken Sie bitte, dass mein Trompetenspiel an diesem Morgen nicht im Fahrpreis inbegriffen ist und dass man davon Durst bekommt. Wenn Sie von Bord gehen, können Sie mir ein Trinkgeld in diesen Becher hier oder in die anderen Becher neben Ihren Sitzen werfen. Am Ende des Tages teile ich das Geld mit meinen Kollegen in den Bergen, die jedes Mal auf mein Trompetensolo antworten.«
    Mehr Gelächter erklang. Ein Passagier, offenbar ein Ausländer, fragte: »Was ist … Trinkgeld?«
    »Geld, um sich etwas zu trinken zu kaufen. Flügelhorn spielen ist eine schweißtreibende Arbeit. Okay, die Fahrt geht weiter. Nächste Haltestelle Wallfahrtskirche Sankt Bartholomä.«
    Die weitere Fahrt verlief nahezu lautlos, sie wurde lediglich vom Plätschern des Wassers an der Bootswand und vom leisen Summen des Elektromotors unterbrochen, der das Schiff antrieb. Sie glitten scheinbar schwerelos durch den Nebel. Glucksend zerteilte der Bug die Wellen. Die Luft war vollkommen still, jedoch so kalt, dass Remi und Sam ihren Atem als weiße Wolken sehen konnten.
    Sie waren schon sehr früh aufgestanden, um Punkt sechs Uhr, hatten ein leichtes Frühstück eingenommen, um sich gleich wieder auf ihre Arbeit zu stürzen. Ehe sie zu Bett gegangen war, hatte Remi E-Mails mit drei Fragen an eine Handvoll ehemaliger Kollegen und alter Bekannter geschickt. Welche Schatzhäuser gab es in Delphi zurzeit der Invasion durch Xerxes und seine Truppen? Wo befanden sich diese Schätze jetzt? Gab es vielleicht Berichte, dass Xerxes sich mit irgendwelcher Beute aus delphischem oder Athener Besitz davongemacht hatte?
    In ihrem Briefkasten warteten bereits ein halbes Dutzend Antworten, die allerdings weitere Fragen aufwarfen und nicht unbedingt für Klarheit sorgten.
    »Von Emily ist noch immer nichts dabei«, sagte Remi jetzt und scrollte mit dem Daumen durch die E-Mail-Eingänge auf ihrem iPhone.
    Sam sagte: »Erklär mal: Evelyn …?«
    »Evelyn Torres. In Berkeley. Sie war bis vor einem halben Jahr Hilfskuratorin im Delphi-Archaeological-Museum. Niemand kennt sich in Delphi besser aus als sie.«
    »Stimmt. Ich bin sicher, sie wird sich beizeiten bei uns melden.« Sam machte einige Fotos von der Umgebung, dann wandte er sich um und sah, wie Remi auf das Display ihres iPhone starrte. »Stimmt etwas nicht?«, fragte er.
    »Ich dachte gerade mit Sorge daran, dass Cholkow irgendwann hier auftauchen würde, und dabei kam mir eine Frage in den Sinn: Wie oft war er schon so plötzlich da?«
    Sam rechnete nach. »Wenn man den Pocomoke nicht mitzählt … da waren Rum Cay, das Château d’If und Elba. Also dreimal.«
    »Nicht in der Ukraine, nicht in Monaco und nicht hier, stimmts?«
    »Klopf auf Holz.«
    »Verlass dich lieber nicht darauf.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich bin mir nicht sicher, aber wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, haben die Ukraine, Monaco und dieser Ort hier drei Dinge gemeinsam.«
    »Sprich weiter.«
    »Ich habe an allen drei Orten mein iPhone nicht benutzt – wir hatten das Iridium. Ich hatte es noch nicht einmal eingeschaltet. Das habe ich erst gestern getan – nein, das stimmt nicht. Ich habe meinen E-Mail-Eingang überprüft, als wir in Salzburg gelandet

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