Das Gold von Sparta
es irgendwie an sich brächte, könnte er eine Art Ausgleich schaffen«, endete Sam. »Die Dinge für das Xerxes-Geschlecht wieder ins rechte Lot bringen.«
»Wie du sagtest, Bel-Marduk springt einem ins Auge, aber die Historiker behandeln den Aufstand der Babylionier als eher ein geringes Ärgernis für Xerxes.«
»Was ist denn mit der ägyptischen Revolte? Die fand doch etwa zur gleichen Zeit statt.«
Remi seufzte. »Möglich wäre es. Das Problem mit der Geschichtsforschung – vor allem wenn es sich um die Frühgeschichte handelt – ist meistens dieses, dass nur die wichtigsten Ereignisse besondere Beachtung finden. Nach allem, was wir wissen, befindet sich in irgendeinem alten Text in einer Bibliothek oder in einem Museumsarchiv eine Liste von Gegenständen, die Xerxes erbeutet hat, mitsamt den Angaben über ihren Verbleib.«
»Super«, sagte Sam mit einem freudlosen Lächeln. »Wo fangen wir an?«
»Du kannst es dir aussuchen: Kairo, Luxor, Istanbul, Teheran … Wenn wir heute mit den Nachforschungen beginnen, dürften wir in zehn bis zwölf Jahren fertig sein.«
»Also nicht der beste Weg. Okay, sehen wir uns mal an, ob wir die Suche vielleicht etwas einengen können: Xerxes herrschte zwanzig Jahre lang. In dieser Zeit unternahm er drei wichtige Feldzüge: gegen Ägypten, Babylon und Griechenland. Von denen war der Krieg gegen Griechenland der wichtigste und sicherlich auch der Wendepunkt für seine weitere Regierungszeit. Ich finde also, wir sollten uns auf den griechisch-persischen Konflikt, die so genannten Perserkriege, konzentrieren und in dieser Richtung weiterforschen.«
Remi überlegte und nickte dann zustimmend. »Klingt einleuchtend.«
Sams E-Mail meldete einen Eingang, und er las die Nachricht. »Selma schreibt«, sagte er, »dass das Einschmelzen des Bel-Marduk-Götzenbildes ausgiebig dokumentiert ist. Es gibt zahlreiche Augenzeugenberichte über diesen Vorgang, und zwar sowohl von Seiten der Perser als auch der Babylonier.«
»Damit wäre das entschieden«, erwiderte Remi. »Konzentrieren wir uns auf Griechenland.«
Eine weitere Stunde lang sammelten sie Informationen über die Periode der Perserkriege, die in Xerxes’ Regentschaft fiel. Dann machten sie eine Pause und dinierten auf dem Restaurantbalkon, von dem aus man auf den nunmehr dunklen Hafen blicken konnte. Die Meereshöhe, die atemberaubende Landschaft und die Strapazen der Reise hatten ihren Hunger angefacht. Sie stürzten sich mit Hingabe auf die Köstlichkeiten der bayerischen Küche und delektierten sich an einem Menü aus kaltem Schweinebraten auf Brot mit Meerrettich, Kartoffelsalat mit Öl und Essig und Lachsforellenfilets, gebeizt in einem Sud aus Kristallweißbier und fränkischem Bocksbeutel. Das Ganze spülten sie mit eiskaltem Weizenbier hinunter. Die von ihnen gewünschte tiefe Temperatur des Biers brachte ihnen zwar einige seltsame Blicke von zwei Einheimischen ein, doch Sams knappe Erklärung – Amerikaner – wurde mit einem freundlichen Kopfnicken und einer spendierten Runde belohnt.
Gesättigt und ein wenig beschwipst kehrten sie in ihre Suite zurück, bestellten eine Kanne Kaffee und nahmen ihre Arbeit wieder auf.
»Das Ziel des Feldzugs war offenbar die Plünderung Athens«, sagte Remi. »Dort konzentrierte sich die Macht Griechenlands.«
»Thrakien und Makedonien waren lediglich Testläufe«, stimmte Sam ihr zu. »Eigentlich hatte er es auf Athen abgesehen. Vielleicht sollten wir besser mal von einer anderen Annahme ausgehen: Xerxes hat die Babylonier unterworfen, indem er das Bel-Marduk-Götterbild stahl und zerstörte. Könnte es nicht sein, dass er bei den Griechen eine ähnliche Taktik angewendet hat?«
Remi überflog gerade Selmas Bericht. »Ich glaube, ich habe auch so etwas gesehen … ja, dort, Delphi.«
»Wie in Orakel von Delphi?«
»Genau das ist es. Xerxes hatte es darauf abgesehen.«
Gut einhundertfünfzig Kilometer von Athen entfernt und auf den Hängen des Parnass gelegen, war das Heiligtum von Delphi, das dem Gott Apollo geweiht war, eine Ansammlung von Tempeln, zu der neben zahlreichen Schatzkammern, Stadien und Theatern auch die Korikianische Höhle, die Kastalische Quelle, der Altar der Leute von Chios, die Stoa der Athener und der Apollotempel gehörte, wo sich das Orakel befand.
In alten wie auch in modernen Zeiten war der Tempel, in dem das Orakel weilte, der am häufigsten besuchte des gesamten Komplexes. Die Wahrheitssucher aus dem gesamten Mittelmeerraum fragten die
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