Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
bleich. Cachaça Tornado ist eine Mischung aus hochprozentigem brasilianischem
Rum und Tequila, dem Saft der Mezcal-Agave. Die Medizinmänner vom Oberlauf des
Amazonas benutzen Cachaças, um Ertrunkene wieder zum Leben zu erwecken. Und
meist bleibt den Ertrunkenen nichts anderes übrig.
»Prost, Käp’tn, und ex,
Käp’tn!«
»Und auf die christliche
Seefahrt!« Cantal kippt den Tornado und hält sich im selben Moment selber für
einen. Er umklammert mit den Füßen den Barschemel, um nicht durch die Bar zu
rasen. René Jean-Jacques Cantal, Sproß wohlhabender Weinbauern aus der
Provence, war nie ein Kind von Traurigkeit und schon gar kein Feind von
flüssigen Dingen. Er entsann sich noch gut des strengen Winters 63 auf 64, als
er an der sibirischen Eismeerküste zusammen mit zwei Samojeden die
Petroleumlampen der Station leergetrunken hatte. Aber Petroleum war nichts
gegen Cachaça, und das wollte was heißen.
»Nicht übel«, sagt er, »aber
wenn ich ehrlich sein soll: ‘n bißchen dünne.« Er wendet sich an den Keeper.
»Schieb doch mal zwei von deinen Biblimbing ‘rüber, Amigo.«
Bei diesem Wort bekreuzigt sich
der Barmann und ist nahe daran, zu einem kurzen Gebet niederzuknien, zieht aber
im letzten Moment eine aus Palmholz geschnitzte Flasche hervor und schenkt was
trübes Gelbes ein. Das trübe Gelbe ist Biblimbing, ein javanischer
Palmsaftbrandy von ziemlichen Stärkegraden. Jedenfalls hat ein holländischer
Pflanzer allen Ernstes behauptet, daß man nach dem Genuß von Biblimbing seine
eigenen Zähne verschlucke (dabei hatte sich nur die Gaumenplatte seiner
Zahnprothese aufgelöst).
»Prost, Käp’tn, und ex, Käp’tn!«
»Und auf die christliche
Seefahrt!«
Jimmy Stutterbold trinkt und
denkt, so ungefähr muß man sich fühlen, wenn einem Cassius Clay eins in die
Magengrube donnert. Irgendwo hört er auch jemanden zählen— eins, zwei, drei,
vier, fünnef...— aber bei acht ist er wieder oben, holt tief Luft, dreht sich
einmal auf seinem Schemel und sagt mit erlöschender Stimme: »Deli...,
de-li-ka-tes Tröpf-chen, dieser..., Bimmelim-bimm!«
»Bim-bim-bim heißt der«,
verbessert Cantal und schiebt sich eine Handvoll Chips mit Paranüssen in den
Mund. Den hatte er wohl ‘n bißchen unterschätzt, diesen Ami, kam nach jedem
Niederschlag wieder hoch, war zwar angeknockt, ging aber nicht k. o. Sein
Zeigefinger stößt in sein leeres Glas, mit der anderen Hand signalisiert er
eine Zwei.
Stutterbold aber protestiert
wieder. »Nich immer dasselbe, ist ja langweilig. Cachaija ist gut, Biblimbing
ist gut, Cachafa, gemixt mit Bimlimbing, war’ noch besser.«
Wollen doch mal sehen, ob
dieser Süßwassermatrose nicht unter den..., den Dings, den Tisch, zu kriegen
war.
Der Barmann zieht seinen
Rosenkranz hervor und murmelt: »Heilige Jungfrau von Tereor, hilf, hilf.« Aber
die Schutzpatronin der Insel hat Besseres zu tun, und so fängt der Barmann an
zu mixen. Er nimmt den Shaker, tut Eis hinein, tut Tequila hinein, tut den
brasilianischen Rum hinein, füllt mit dem javanischen Brandy auf, er shakt,
schüttelt, rüttelt mit angstvoll verzerrtem Gesicht, er füllt zwei
Cocktailschalen, legt eine Olive oben drauf und sieht mit Grauen, wie sich die
Olive samt Kern in Nichts auflöst.
»Lecker«, sagt Cantal und
beobachtet den denkwürdigen Vorgang interessiert.
»Pikant«, bemerkt Stutterbold,
nimmt entschlossen das Glas und sagt: »Prost, Käp’tn, und ex, Käp’tn.«
»Und auf die christliche
Seefahrt.«
Sie trinken, setzen das Glas
gelassen zurück auf den Tresen, nicken sich zu.
»Schmeckt gut«, sagt Cantal
schlicht und spürt, wie ihm das Wasser in die Augen schießt.
»Deswegen brauchen Sie nicht zu
weinen«, meint Stutterbold und weint sofort mit. Irgend etwas zieht ihn sanft
aber unwiderstehlich vom Schemel.
Auch Cantal steigt von seinem
Stuhl, setzt einen vorsichtigen Fuß auf den Fußboden und hat das Gefühl, als
habe er soeben als erster Mensch den Mond betreten. Er macht eine Drehung um
360 Grad und landet mit dem Rücken an Stutterbolds Rücken. Sekundenlang stehen
sie so, dann sinken sie, miteinander verwachsen wie die siamesischen Zwillinge,
landen weich auf einer Bastmatte und gucken stumm in der ganzen Bar herum.
»Hallo! Sitzt ihr bequem?« fragt
jemand. Es ist Trixi, die mit halbstündiger Verspätung im »Conchita« einläuft.
Sie hat das Kofferkleid enger gemacht, und so was kostet Zeit. Sie starrt
abwechselnd auf Stutterbold und auf René. Sie kneift sich in den
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