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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
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»oben soll es
ein Restaurant geben.«
    »Ein Restaurant? Da muß ich
unbedingt...«, sagt Erika und läßt offen, was sie muß. Ihr ist so komisch seit
heute früh. Der Magen rumort, brodelt, und grummelt wie ein Vulkan. Ein
Vergleich, der momentan außerordentlich passend ist. Sie preßt eine Faust in
den Magen. In diesem Magen befinden sich zwei gefleckte Bananen, Produkte der
Insel, und sonst gar nichts. Kein Wunder, daß er so wütend ist, der Magen.
    »Aber nichts Fettes«, sagt Frau
Annegret, die im Zusammenhang mit Erika immer nur ans Essen denkt. Sie schert
aus der Kolonne und wirft einen Blick auf die Landschaft. Der Blick lohnt sich.
Besonders dann, wenn man ihn erklärt bekommt. Himbeerrot hat die untergehende
Sonne den Himmel im Westen gefärbt.
    »Der Krater«, erklärt der
Greifer und tut so, als sei er hier oben zu Hause und hat doch nur den
Reiseführer auswendig gelernt, »der Krater hat einen Durchmesser von 500 Metern
und eine Tiefe von 208 Metern. Der schwarze Boden da drüben ist
ausgeschleuderte Asche, Picon genannt, sehr fruchtbar, hier wächst ein
exzellenter Wein.« Sie haben den Rand des Kraters erklommen. Auf seinem Boden
sieht man ein weißes Bauernhaus, Ställe, eine Wasserleitung, rotblühende
Oleander leuchten zwischen wilden Ölbäumen. Der Ginster schimmert wie frisch
gefallener Schnee. Weit in der Ferne ahnt man das Meer.
    »Da möchte ich leben«, sagt
Frau Radke und zeigt mit dem Zeigefinger in den Krater hinein, »fernab von der
lauten Welt, inmitten der freien Gottesnatur, einsam und allein...«
    »Ganz allein?« fragt der
Greifer und nimmt ihre Hand. Er ist bereit, die kleinste Chance zu nutzen.
»Könnten Sie sich nicht vorstellen, daß jemand mit Ihnen die Einsamkeit..., ich
meine, teilt.«
    »Wie meinen Sie das, Maestro?«
fragt sie und weiß, wie er es meint. Sie schaut ihn erwartungsvoll an.
    »Wenn ich ganz ehrlich sein
soll, dann...«
    »Dann?«
    »Mamusch!« Erika ist auf ihre
Mutter zugestürzt, flüstert ihr etwas ins Ohr, die Mutter steckt ihr etwas zu,
Erika rast in panischer Hast auf die Ginsterbüsche zu, die Büsche schlagen über
ihr zusammen...
    Später stehen sie vor dem
kleinen Laden, der sich an das Gipfelrestaurant lehnt. Ein altes Mütterchen mit
einem langen schwarzen Umhang verkauft Souvenirs. Töpfe mit einem eingebrannten
»Gruß aus Gran Canaria« und Eseldecken mit einem eingewebten »Gruß aus Las
Palmas« und Aschenbecher mit einem eingravierten »Gruß von den Glücklichen
Inseln«. Das Mütterchen singt dabei mit brüchiger Stimme ein Lied vor sich hin.
»...Todas las Canarias son: mucha nieve en el semblante y el fuego en el
corazon.«
    »Was singt sie da?« fragt Frau
Radke.
    »Irgendwas von schönen Kanarierinnen,
von Gesichtern wie Schnee und Herzen wie Feuerbrand«, sagt der Greifer, der
selbstverständlich auch Spanisch kann, wenn auch nur soviel wie ein Kellner.
    »Wie romantisch«, seufzt die
Radken und macht richtige Kalbsaugen.
    Der Greifer entschließt sich
zum Kauf einer Zigeunerpuppe. Es ist eine Flamencotänzerin mit einer Gitarre in
der Hand. Die Gitarre hat richtige kleine Saiten, und man kann mit dem
Fingernagel darauf »plum-plum« machen. Er macht »plum-plum«, improvisiert ein
Ständchen, serviert einen Kniefall und sagt: »Olé!«
    Vor Jahren hatte er diese Szene
schon mal gespielt. Wenn er sich recht erinnerte, war sie aus einem Stück von
Lope de Vega. Doch so gut wie jetzt war er damals nicht. Er bedauert, daß ihn
sein Produzent nicht sehen kann in diesem Moment, der Mensch, der immer
behauptet, daß der Greifer alles könne, nur keine Liebesszene. »Olé!« sagt er
noch einmal und überreicht die Puppe der faszinierten Frau Radke. »Liebe,
verehrte Frau Annegret, mein Herz...«
    »Ja, lieber Maestro?«
    »Mamusch!!!«
    »Ja, was ist denn nun schon
wieder?!« Die Radken blitzt ihre Tochter vernichtend an.
    »Pssssst«, macht Erika,
flüstert ihr was ins Ohr, bekommt etwas zugesteckt, verschwindet wie eine
Rakete im Restaurant, und eine Tür schlägt krachend hinter ihr zu.
    Der Greifer kommt nicht mehr
dazu zu sagen, wie es ihm ums Herze ist. Stärker als alle seine Kunst, sich in
Szene zu setzen, ist Erika. Erika, die phantomhaft und unpassend auftaucht,
ihrer Mamusch was flüstert und im selben Tempo wieder entschwindet. Was hat
dieses schreckliche Mädchen?
    Mutter Radke ahnt es. Als
Ekalein bei einer erneuten Flucht in den Schutz eines tausendjährigen
Drachenbaums um ein Haar Beatus Hügeli über den Haufen gerannt

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