Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
wieder wegzuschwemmen. Dazu gehen Sie überein Wochenende in Klausur,
bringen das Telefon zum Schweigen, verbitten sich Besuche, schränken den
Verkehr mit der Familie auf das Notwendigste ein und— öffnen das erste
Büchschen (550-Gramm-Büchse).
An diesem Tag leeren Sie die
Büchse und öffnen abends noch eine zweite. Setzen Sie sich damit vor den
Fernsehapparat, wo Sie sowieso jeden Abend vor sich hin mümmeln, warum soll es
statt Crackers, Nüssen, Salzstangen, Käsehäppchen nicht mal Kraut sein. Wenn
Sie zwischendurch Durst kriegen, dürfen Sie sich ein Gläschen— o nein, kein
Bier!— Sauerkrautsaft genehmigen, den Sie vorsorglich aus dem Reformhaus
bezogen haben.
Am nächsten Tag können Sie,
wenn Sie stark sind, genauso verfahren, wenn nicht, sei Ihnen das köstliche
Kraut diesmal gestattet in Form von Sauerkraut-Rettich-Salat (200 g Kraut, 1
Apfel, 1 EL Zitronensaft, 1 Rettich, 5 EL Magerjoghurt, Salz, 1 Prise Zucker),
Sauerkrautsaft verrührt mit Buttermilch und Sauerkrautsalat, pikant (400 g
Weinsauerkraut, 1 kleine Dose Ananas, Salz, 1 Prise weißen Pfeffer).
Merke: Gehen Sie ruhig
spazieren an Ihrem Sauerkrautwochenende, aber halten Sie sich immer einen
Rückzugweg offen, denn das liebe Kraut ist ein wackerer Darmfeger.
»Verzeihen Sie, bitte, gnädige
Frau«, sagt Hügeli und fährt flüsternd fort: »...gut ausgedrückt, abgeschmeckt
und in die Gans gefüllt, worauf man dieselbe zunäht und etwa 2 Stunden braten
läßt. Die goldbraun gebratene Gans präsentiert man auf einer Platte zusammen
mit der Fülle und reicht dazu...«
»Sind Sie eigentlich Sadist,
Herr Hügeli?« fragt Frau Radke empört, nimmt ihr Buch und setzt sich in die
entfernteste Ecke. Erika durchquert in äußerster Hast den Lesesaal. Allein der
Gedanke an goldbraun gebratene Gänse hat genügt, um sich ihr auf den Magen zu
schlagen.
»...Reicht dazu
Kartoffelknödel, und mit feinem alten Burgunder angemachten Rotkohl.« Hügeli
ist jetzt ganz dicht am Ohr des Greifers, sein scharfes Flüstern erfüllt den
letzten Winkel des Raumes und zwingt jeden auf magische Art, ihm zuzuhören.
»Das Bratfett schöpfe man vorsichtig ab und verrühre es mit einem Eßlöffel
süßer Paprika und einer Tasse dicker saurer Sahne zu einer wohlschmeckenden
Sauce. Zum Nachtisch empfiehlt Oma...«
»Nun hören Sie doch endlich mit
Ihrer Oma auf!« Zwei Bircher-Benner erheben sich geräuschvoll und gehen unter
Protest.
Die Bircher-Benner, die hier
unter Protest den Saal verlassen, sind Anhänger des Schweizer Arztes Maximilian
Oskar Bircher-Benner (1867-1939). Auch er gehört zu den Klassikern unter den
Diätlern. Seine Ernährungslehre bezog sich nicht nur auf die naturgemäße
Lebensweise (mit Sonnenbädern, Heilgymnastik, Massage, Kalt- und
Warmwasseranwendung). Birchern und bennern läßt sich deshalb am besten in einer
Klinik, und es gibt viele, die B.-B.’s Methode in ihren Heilplänen führen.
Was Bircher-Benner lehrte, fand
sich In der Praxis bei einem Naturvolk, einem halbwilden Stamm im Himalaja, der
fast nur von grob zerriebenem Getreide, Früchten und Gemüsen lebte und dabei so
gesund war, daß jeder Arzt verzweifelt das Weite gesucht hätte.
Wenn Sie keine Lust haben, sich
einer regelrechten B.-B.-Kur zu unterziehen, sollten Sie zumindest das berühmte
Müesli auf Ihre Speisekarte schreiben, als Frühstück oder auch als
Abendmahlzeit. Das gibt es inzwischen in so vielen Variationen, daß wir auf das
Ur-Müesli zurückgreifen wollen. Es steht sogar im gestrengen Brockhaus:
»Haferflocken werden über Nacht mit kaltem Wasser eingeweicht, morgens mit
Kondensmilch, Honig, geriebenen Nüssen und zerkleinerten Früchten vermischt.«
So einfach ist das...
»Bratfett, Bratfett«, sagt der
Greifer und legt sein Buch endgültig hin, »kein Mensch von einiger Eßkultur
wird das Bratfett verwenden, Verehrtester. Die Gans an sich ist doch schon fett
genug. Das Blut, das frische warme Gänseblut muß es sein. Nach dem Schlachten
auffangen, in Butter geröstete Zwiebel hinein, stocken lassen das Ganze,
Semmelwürfel drunterheben und mit Salz und Majoran abschmecken. Das ist rein
zum Überfressen.«
»Und was die Fülle betrifft,
selbstverständlich gehören Kastanien hinein. Halb Kastanie, halb Äpfel, dazu
gebrühter Beifuß.« Kerstin Nielsens Gesicht verklärt sich in seliger
Erinnerung.
»Du liebes Bißchen, wer füllt
schon mit Kastanien.« Annegret Radke kann nicht länger an sich halten.
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