Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
muß nicht
gerade den Charakter verderben, aber verändern tut’s ihn bestimmt.«
»Du sprichst wie unser Pfarrer
aus Böblingen.« Sie schaut ihn bittend an. »René, denk doch mal nach. Deine
Trixi ist Millionärin, und eines Morgens beim Kaffeetrinken, wenn du mir den
Honig reichst, wird sie zu dir sagen: ›Ach übrigens, du hast dir doch immer so
sehnlichst ein eigenes Schiff gewünscht, und du als Kapitän auf der Brücke,
liegt übrigens am Pier sechs für dich bereit, der Pott, schlüsselfertig, falls
das ‘n Seemannsausdruck ist, brauchst bloß hinzufahren und...‹«
Renés Augen glühen auf und
machen den Eindruck, als könne man sich eine Zigarette dran anzünden. Solche
Augen kriegt er immer, wenn er sehr wütend ist. »Ich fahre nicht zum Pier
sechs!« brüllt er, als wenn es den überhaupt gibt, »ich fahre auch nicht zum
Pier drei oder zum Pier xyz, und wenn du dort einen Schnellfrachter vor Anker
liegen hast, einen 10 000 Tonner, schneeweiß, einen von der Kap-Horn-Klasse, 20
Knoten, Radarausrüstung, ein langes Back und die Brückenaufbauten in Stromlinie
und...«
Der Gedanke an ein eigenes
Schiff, an sein Traumschiff, ist so ungeheuerlich, daß er für einen Moment
nachdenklich wird, aber gleich lodert seine Wut wieder. »Und wenn du mir die
›Queen Elizabeth‹ hinstellst an deinen Pier, ich nehme sie nicht. Ich nehme
überhaupt nichts geschenkt und schon gar nicht von einer Frau. Ich lasse mich
nicht aushalten.« Er schüttelt sie, und seine Stimme kommt plötzlich ganz
leise: » Ich stehe auf der Brücke und von mir kommen die Befehle, ist das
ein- für allemal klar?«
Sie reißt sich los und blitzt
ihn an. Die Haare sind ihr in die Stirn gefallen, die Nase mit den elf
Sommersprossen kräuselt sich, und irgendwo erscheint ein Grübchen, das er noch
nicht kennt, weil er sie noch nie so wütend gesehen hat. Zum Küssen schaut sie
aus, und er versucht es auch, aber da macht es »Klatsch«.
Trixi guckt auf seine linke
Wange und auf ihre rechte Hand. Beide sind sie rot, so kräftig hat sie
zugeschlagen. Sie fängt gerade an, es zu bereuen. Dann denkt sie: Der soll mir
nicht so kommen, ich lasse mich nicht herumkommandieren, das habe ich schon in
der Schule nicht gemocht. Sie dreht sich auf dem Absatz herum, schmettert die
Tür hinter sich zu, öffnet sie wieder, faucht: »Ich bin nicht Ihr Schiffsjunge,
Herr Kapitän!«
»Zwei Sellerie-Cocktail.«—
»Vier Rhabarber-Flips.«
In der Steuerbord-Bar der
»Aphrodite« herrscht um diese Nachmittagsstunde Hochbetrieb. Das alle Tage
stattfindende öffentliche Wiegen ist gerade zu Ende gegangen. Gewogen und immer
noch zu schwer befunden, strömten die Passagiere in den Raum. Galgenhumor macht
sich breit, Resignation, aber auch Genugtuung über Geschmissenes. Man zeigt
Fotos herum, wie man mal ausgesehen hat, schnallt protzend Gürtel enger,
renommiert mit Jacken, die zwei Nummern zu groß sind und taxiert sich
gegenseitig. Außerdem trinkt man was.
»Zwei Kürbis-Sour!«— »Einen
Gurken-Fizz.«
Die Bestellungen prasseln. Bei
jeder Bestellung zuckt der Barkeeper zusammen, als habe man ihm auf die
Hühneraugen getreten. Er heißt Sophokles und wird »Soffi« gerufen. Daß man
einen klassikumwitterten Namen verschandelt, damit kann ein Mensch fertig
werden, selbst wenn er Grieche ist und direkt neben der Akropolis das Licht der
Welt erblickte. Ihn aber zu zwingen, Buttermilch mit Sauerkrautsaft zu mixen,
einen Schuß Sanddorn in Brennessel-Juice zu geben, Drinks aus Joghurt und
gepreßten Möhren zu bereiten, das geht gegen die Berufsehre.
Eine Saftbar wie an Bord der
»Aphrodite« brauchen Sie nicht unbedingt, aber einen Saft tag sollten Sie
sich und damit Ihrem Körper gelegentlich gönnen. Er erhöht das Lebensgefühl,
macht heiter und läßt hoffnungsfroh in die Zukunft blicken. Übertrieben? Fragen
Sie einen Sattler, und er wird es freudig bestätigen. Unter ihnen gibt es drei
Kategorien: Die Strengen, die nur herbe Säfte (aus Tomaten, aus Gurken, aus
Sauerkraut, aus Mohrrüben, aus Grapefruit etc.) zu sich nehmen und das ein
ganzes Wochenende lang. Dafür kassieren Sie gut und gerne 5 Pfund auf der
Minusseite. Die Gemäßigten trinken auch zwei Weekendtage nichts weiter als
Säfte, aber süße (aus Trauben, aus Johannisbeeren, aus Äpfeln, aus
Heidelbeeren, aus Pflaumen, aus Birnen etc.), und wenn sie nicht süß genug
sind, rühren sie sich ein Löffelchen Honig oder Traubenzucker hinein. Auch ein
verquirltes Ei dazu
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