Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
Zigarettenetui auf und fragte: »Zurück nach Paris?
Da fährt man doch sonst über Dieppe oder Le Havre.«
Sie schaute ihn wachsam an.
»Ich kann fahren, wohin und worüber ich will.« Sie setzte etwas zu hastig
hinzu: »Im übrigen fahre ich nach Cannes zu meiner Mutter. Und Sie hoffentlich
nach Heidelberg. Dann wäre ich Sie nämlich endgültig los.«
»Das bedauere ich.« Um sie noch
mehr in Harnisch zu bringen, setzte er nachlässig hinzu: »Schließlich hätten
wir einiges nachzuholen.« In derselben Sekunde fühlte er ihre Hand an seiner
linken Backe.
»Pardon«, sagte Florence und
war noch mehr erschrocken als er.
»Schwesterchen«, sagte er und
drohte mit dem Zeigefinger. Er fügte hinzu: »Apropos, wie geht es Väterchen,
Monsieur de Grandlieu? Warum läßt er Sie allein fahren, der Rabenvater?«
»Er hat noch wichtige
Verhandlungen in London«, log sie. Sie überlegte fieberhaft, wie sie sich
verhalten sollte. Plötzlich wußte sie es. Sie nahm ihr Taschentuch heraus,
tropfte etwas Parfüm hinein und fuhr ihm damit über seine Wange. »Es tut mir
leid«, sagte sie zerknirscht.
Bandit, dachte Philipp, als sie sich
über ihn beugte, schon wieder Bandit. »Sie schlagen eine gute Rechte«,
sagte er schwer atmend und griff nach ihrer Hand.
Sie setzte sich neben ihn und
ließ ihm die Hand. »Ich war so wütend auf Sie, Monsieur Engel, gestern in der
Ausstellung. Jetzt weiß ich, daß ich Ihnen Unrecht getan habe. Sie konnten gar
nicht anders handeln.«
»Im Himmelbett der Pompadour,
meinen Sie? Hat Ihnen Ihr Vater also einiges erzählt.«
»Alles hat er mir erzählt, mein
Vater. Und auch, daß er es nicht ist.« Sie schaute ihn aus ihren
vergißmeinnichtblauen Augen schwärmerisch an: »Ach, Sie haben ein schweres
Schicksal, Monsieur Engel.«
»Nun ja«, sagte Philipp. Er
legte seinen Arm um sie und zog sie leicht an sich. Er spürte keinen
Widerstand.
Florence kuschelte sich an
Philipps Schulter. »Phil, wissen Sie... Ich darf Sie doch Phil nennen?«
»Genehmigt«, sagte er
großzügig.
»Wissen Sie, daß ich richtig
glücklich war, als ich hörte, daß Sie Ihren Vater nicht gefunden haben?«
»Das ist nicht besonders nett
von Ihnen.«
»Aber wenn mein Vater Ihr Vater
gewesen wäre, dann wäre es doch aus zwischen uns. Aus für immer.« Sie legte
ihre Hand auf seine Brust. Durch den Stoff des Jacketts fühlte sie die Umrisse
seiner Brieftasche.
»Das hätte Ihnen leid getan,
Florence?« Er strich ihr über das Haar. Er spürte eine nie gekannte
Zärtlichkeit in sich aufsteigen.
»Das fragen Sie Phil?« Ihre
Hand lag jetzt auf seinem Oberhemd. Den Schlüssel würde er wohl kaum mit sich
herumtragen, aber vielleicht den Tresorschein.
»Danke«, sagte er. Er küßte sie
aufs Haar. Florence, kleine Florence, du bist so ganz anders. Anders alle
anderen: die Berechnenden, die Sinnlichen, die Verdorbenen, die Leichtfertigen,
die Männerfresserinnen, die Unbefriedigten, die Hemmungslosen. Sie war wie eine
Blume, die ihre Blütenblätter noch nicht geöffnet hatte, dachte er und wurde
plötzlich sentimental. Er hob ihr Kinn und wollte sie sanft auf den Mund
küssen.
»Bitte nicht«, hauchte sie,
»wenn uns jemand sieht.« Mit den Fingerspitzen faßte sie behutsam den oberen
Rand der Brieftasche.
»Ich bin nicht kitzlig«, sagte
er.
»Nein? Na, das wollen wir mal
sehen.« Sie kitzelte ihn unter der Achselhöhle und glitt langsam mit der Hand
wieder zur Brusttasche hin. Langsam begann sie die Brieftasche herauszuziehen.
Im selben Moment stand er auf.
»Warm ist mir«, sagte er, zog sein Jackett aus und hängte es an den Kleiderhaken
am Fenster.
»Wirklich warm«, sagte
Florence. Sie zog das Fenster halb herunter und beugte sich hinaus. Wie sie
erwartet hatte, trat er neben sie. Sie legte ihren Arm über seine Schulter und
tastete mit der Hand in Richtung Jackett. Taschendiebe hatten es tatsächlich
nicht leicht. Diesmal gelang es ihr, die Brieftasche herauszuziehen.
»Paß- und Zollkontrolle,
bitte!« Jemand klopfte mit einem Schlüssel gegen die Glaswand, die das Abteil
vom Gang trennte. Sie waren in Dover. Florence erschrak und ließ die
Brieftasche fallen.
»Die Pässe, bitte!« sagte der
Beamte.
Philipp suchte nach seinem Paß,
den er in der Brieftasche zu tragen pflegte. Die Brieftasche war nicht da. Er
fand sie unter der Sitzbank, dort, wohin Florence sie blitzschnell mit der
Spitze ihres Schuhes befördert hatte.
»Mit meiner Brieftasche«, sagte
er und klopfte sich den Staub von den
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