Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
sie
zehntausend.«
»Zehntausend? Das wären für
jeden fünf, ich meine, fünf für uns und fünf für Sie, Monsieur Philippe.«
»Das ist sehr großzügig,
Séraphine.« Er sah sie an und versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken. »Jetzt
müssen wir uns nur noch überlegen, wie wir an das Geld herankommen.«
»Wir haben schon überlegt,
Monsieur. Paul hat ein Motorboot besorgt, er hat es draußen an der alten Mole.
Sie kriegen eine Karte mit der Route und dann...«
»Moment!« gebot Philipp. Das
wollte überlegt sein. Er legte sich in den warmen Sand und stützte seinen Kopf
auf einen Felsen.
Blüten, dachte er, wieder mal
Blüten. Sie verfolgten ihn geradezu; es war noch nicht allzulange her, daß er
sogar welche verteilen sollte, damals in Heidelberg, als er mit Branka den
Koffer verwechselt hatte; damals war es um Leben und Tod gegangen, und er war
ihnen nur durch einen Geniestreich entkommen. Er wußte, daß sie keinen Spaß
verstanden, es stand zuviel auf dem Spiel, Finger weg also! Andrerseits...
Er richtete sich auf und biß
auf einem Grashalm herum. Andrerseits gab es da merkwürdige Zufälle. In London
hatten sie ihm die Brieftasche gefilzt, in Heidelberg eine Bombe in den
Kleiderschrank gepackt, in Nizza war er im Gefängnis gelandet.
Zufall?
»So viele Zufälle, Séraphine«—
er dachte jetzt laut weiter— , »gibt es gar nicht.«
»Nein«, sagte Séraphine.
»Möglich ist es allerdings, daß
mich jemand mit jemandem verwechselt.«
»Ja, Monsieur Philippe«, sagte
Séraphine.
Er stand auf und schlug sich
den Sand von den Hosenbeinen. »Eines jedenfalls steht fest: als ich noch keinen
Vater suchte, passierte nie etwas. Jetzt, wo ich einen Vater suche, passiert
mir dauernd etwas. Deshalb werden wir der Geschichte nachgehen.«
Sie stiegen vorsichtig die
Klippen hinunter. Sie wollten noch vor der Abenddämmerung an der alten Mole
sein.
Der Raum war weiß getüncht, auf
dem Boden lagen kostbare Teppiche, und durch die Jalousien fiel das
Sonnenlicht. Félicien Leboss starrte auf die Platte seines riesigen
Schreibtisches. Er nahm das Monokel aus dem linken Auge, putzte es und starrte
wieder auf die Platte. Viel zu sehen gab es dort nicht. Außer einem gelben
Telefon, einem roten Telefon, einem Paket Watte und einer Seekarte.
Die Stimme von Leboss war
sanft. »Es war eine Panne. Pannen können wir nicht gänzlich ausschalten. Aber
wir können sie ausbügeln. Wo also habt ihr die Kiste über Bord gehen lassen?«
Der Mann, der vor ihm stand,
trug ein quergestreiftes Hemd, lange Lederhosen und eine Baskenmütze. »Ich sah
das Leuchtfeuer von Porquerolles«, sagte er trotzig.
»Eure Position? Ich wüßte zu
gern eure genaue Position, auf den Strich genau.«
»Wenn die Bullen hinter einem
her sind, hat man andere Gedanken.«
»Wenn ich die Position wüßte«,
sagte Leboss, ohne auf den Einwand zu achten, und schaute auf die vor ihm
liegende Seekarte, »könnten wir mit einiger Sicherheit sagen, welche Strömung
die Kiste erwischt hat. Und wenn wir die Strömung wissen, wissen wir auch... « Das Telefon klingelte. Er horchte einen Moment in den Hörer und schrieb etwas
auf den Rand der Seekarte. Er nahm den Hörer des gelben Telefons ab und sagte:
»La Tour Fondue. Ja, es sind Fischer. Bestellen Sie ihm, daß ich ihn für einen
Idioten halte. Man kann kein ganzes Dorf mundtot machen. Ja, stopft ihnen das
Maul mit Scheinen. Mit echten, bitte. Im übrigen würde ich mich freuen, wenn
nichts fehlt, was in der Kiste drin war. Danke!« Seine rechte Hand griff unter
die Tischplatte.
»Capitaine?« Ein riesiger Neger
stand plötzlich in der Tür. Er trug eine Fünfundvierziger im Schulterhalfter.
Leboss wies mit dem Kopf auf
den Mann, der vor ihm stand. »Begleite ihn in die Zisterne.«
»Yessa!« sagte der Neger. Der
Mann mit dem quergestreiften Hemd folgte ihm willenlos.
Leboss trat an das Fenster und
zog die Jalousien hoch. Seine merkwürdig hellen Augen, die von tausend Fältchen
umgeben waren, blinzelten in die untergehende Sonne. Die weißen Haare bildeten
einen attraktiven Kontrast zu seinem tiefgebräunten Gesicht. Er wirkte
jugendlich und mußte doch schon auf die Sechzig zugehen. Er hörte das dumpfe
Bullern eines starken Motors. Er sah, wie die »L’Hirondelle« mit langsamer
Fahrt aus der Grotte glitt, wie sie die Südspitze der Insel passierte und Kurs
auf La Tour Fondue nahm.
»L’Hirondelle« hieß das
Schnellboot. Und L’Hirondelle, »Die Schwalbe«, hieß die Insel, die etwa
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