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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
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fünfzig
Kilometer vor der Küste lag. Sie war rund und zerklüftet wie ein zerbröckelter
Topfkuchen. Über ihre schwarzen Felsen kroch kümmerliche Macchia, jenes
immergrüne Hartlaubgewächs, das den Buschwald aller Mittelmeerländer bildet.
Trotz des schönen Namens hatte sich jahrhundertelang niemand um das
gottverlassene Eiland gekümmert. Es war eben zu sehr von Gott verlassen. Daran
hatte auch die Ruine einer Burg nichts ändern können, die die Kreuzritter hier
einst gegen die räuberischen Sarazenen errichteten.
    Eines Tages hatten sich zwei
gänzlich verschiedene Personenkreise für die Insel zu interessieren begonnen.
Und zwar fast gleichzeitig.
    Der eine Kreis gehörte dem
französischen Ministerium für Touristik an. Er schickte einen Trupp Handwerker
auf das Eiland, der in wochenlanger Arbeit riesige Scheinwerfer und genauso
große Lautsprecher installierte. Nach Beendigung der Arbeiten waren Burgruine
und Insel offiziell in das Programm »Son et lumière« eingeschlossen.
    »Son et lumière«,
»Ton-und-Lichtsinfonie«, das war die Attraktion neuzeitlicher Touristik.
Grellfarbig und brüllend riß sie jedwede Vergangenheit in die Gegenwart zurück.
Schlösser, Burgen und Tempel flammten in Puddingrot, Giftgrün und
Kornblumenblau. Könige entstiegen wehklagend ihren Gräbern, historische Feste
wurden noch einmal gefeiert, berühmte Schlachten noch einmal geschlagen.
    Die Touristen, die bei Einbruch
der Dunkelheit mit einem Dampfer vor der Felswand von L’Hirondelle schaukelten,
erlebten die Sarazenenschlacht noch einmal. Aus den Lautsprechern hallte der
Donner der Musketen, die Todesschreie der von den Enterbeilen Getroffenen, das
Klirren der Schwerter und der Schlachtruf der Sarazenen. Der Höhepunkt der
Ton-und-Licht-Sinfonie war erreicht, wenn der einäugige Pirat Ibn Dschafar den
Hochmeister der Ordensritter zur Übergabe auffordehe und zur Antwort erhielt:
»Ein Ritter stirbt und ergibt sich nicht!«
     
    Monsieur Leboss hatte sich
sofort Watte in die Ohren gesteckt, als die Dunkelheit hereingebrochen war.
    »Ein Ritter stirbt und ergibt
sich nicht!« dröhnte es durch die Watte. Und der Schlachtruf der Sarazenen
drang auch durch die Watte. Leboss stand auf, drückte die Spitzen seiner
gepflegten Finger gegen die Schläfen und durchmaß mit großen Schritten den
Raum.
    »Es war doch keine gute Idee,
Corbeau«, sagte er klagend.
    »Es war Ihre Idee, Monsieur
Leboss«, sagte der mit Corbeau Angesprochene, ein dürrer langaufgeschossener
Mann mit einer Nikkelbrille, der die ganze Zeit still im Hintergrund gesessen
hatte.
    Leboss ließ sich in seinen
schwarzen Drehsessel sinken. »Niemand hat geahnt, daß sie so starke
Lautsprecher installieren würden«, sagte er.
    »Ich kann Sie nicht verstehen,
die Lautsprecher...«, schrie Corbeau.
    »Ich sagte...«, brüllte Leboss,
aber dann sagte er gar nichts mehr, sondern winkte ärgerlich ab. Natürlich war
es eine glänzende Idee gewesen, sich um den Verwaltungsposten von »Son et
Lumière« auf L’Hirondelle zu bewerben. Er besaß das Vertrauen der Behörden,
empfing einmal im Jahr den Inspecteur aus Paris, mit dem man die ganze Nacht
Pernod trank, und konnte ansonsten ungestört arbeiten.
    Die Fensterscheiben färbten
sich in diesem Moment blutig rot. »Die Sarazenen haben ihre Brandpfeile
abgeschossen«, rief Corbeau aufgeregt und eilte ans Fenster. Er war immer
wieder begeistert von dem Riesenspektakel da draußen.
    Leboss hatte das Monokel
inzwischen zu seiner Zufriedenheit geputzt. Draußen war es endlich still
geworden. Die Vorstellung war beendet. Das Boot mit den Touristen hatte
abgedreht.
    Als er sich die Watte aus den
Ohren riß, ging die Tür auf. Der Neger kam herein. »Monsieur Saint-Jean«,
meldete er. In Saint-Jeans Begleitung war der Dicke mit den Schweinsäuglein.
    Leboss schaute sie minutenlang
an, ohne ihnen einen Platz anzubieten. Er wandte sich an Corbeau: »Sind die
beiden Herren bestellt?« Er wartete die Antwort nicht ab. »Sie sind natürlich
nicht bestellt. Und es ist allgemein bekannt, daß ich Besucher ohne Anmeldung
nicht empfange.« Er wollte auf den Klingelknopf drücken, der unter der Tischplatte
befestigt war.
    »Chef, es ist wichtig.«
Saint-Jean faßte sich in seinen Spitzbart. Er stieß die Worte heraus, bevor ihn
der Mut verließ. Er fürchtete den Mann dort hinter dem Schreibtisch, und er
haßte ihn zugleich. »In La Tour Fondue hat’s die Kiste angeschwemmt...«
    »Wir wissen es.« Die Hand von
Leboss bewegte sich

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