Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
Tresor von ‘ner
Amitante. Ellington hieß sie, Mabel Ellington. Hatte aber leider nicht
geklappt, das Ding.«
Die drei betrachteten ihn jetzt
voller Hochachtung. Die Alte brachte noch einen Teller mit Bouillabaisse.
Ach, die Tage in La Tour
Fondue, sie waren von der melancholischen Schönheit eines Regenbogens. Philipp
hatte sich den Strohsack in ein altes, am Strand aufgebocktes Boot packen
lassen. Dort lag er, nuckelte an seiner Zigarre, schaute in den ewig blauen
Himmel und litt angenehm vor sich hin. Die Wunde heilte. Es war gottlob nur ein
Streifschuß gewesen. Manchmal wurde ihm ein bißchen schlecht. Dann nahm er
einen Schluck aus der Cognacflasche, die ihm Séraphine zugesteckt hatte.
Séraphine, die vierzehnjährige
Tochter seines Retters, war es auch, die regelmäßig seine Verbände wechselte.
Die Schmerzen, die sie ihm dabei zufügte, genoß er. Er spürte ihre festen,
kleinen Brüste an seiner Schulter und den Geruch nach Kernseife, den sie
ausströmte. Aber er war jenseits von Gut und Böse. Sein Wohlgefallen an diesem
jungen Menschenkind war nicht von »Fleischeslust« getrübt, wie er sich etwas
hochtrabend auszudrücken beliebte. Philipp verbrachte auch die Nächte in seinem
Boot. Dann war er allein. Allein mit den Sternen und dem Wind. Er träumte mit
offenen Augen und hielt Selbstgespräche.
»Alles habe ich falsch gemacht
in meinem Leben. Alles. Aber es ist ja nie zu spät. Für ein neues Leben. Also
es steht fest, ich bleibe hier. Ich bleibe hier, miete eine Hütte und heirate.
Vielleicht heirate ich Séraphine. Sie ist zwar erst vierzehn, aber das läßt
sich bestimmt arrangieren. Oder Florence? Und dann hole ich Mutter aus
Heidelberg...«
Heidelberg, Mabel Ellington,
Monsieur de Grandlieu, wie lange lag das zurück? Hundert Jahre, tausend Jahre?
Welch eine Schnapsidee, einer Erbschaft nachzujagen. Was sollte er mit einer
Million? Geld war nicht wichtig, nur das Leben war wichtig, das einfache Leben.
Die Fischer hier, Marcel, Gaston, Roger, Anatole, brauchten sie etwa Geld, um
glücklich zu sein? Sie pfiffen darauf!
An einem schönen Morgen wurde
Philipp unsanft aus dem Schlaf gerissen. Vor ihm standen Marcel, Gaston, Roger
und Anatole. Ihre Gesichter waren verzerrt. Ihre Augen glänzten wie im Fieber.
Sie sprangen umher wie die Tobsüchtigen und stießen unartikulierte Laute aus.
Philipp schaute ihnen befremdet
zu. Dann sah er, wie Gaston sich bückte, in eine Kiste griff und etwas in die
Luft warf. Im nächsten Augenblick regnete es Papier. Es war eine besondere Art
von Papier. Es waren 100-Francs-Noten. Wunderschöne, nagelneue, knisternde
100-Francs-Noten...
»Geld! Geld!« schrien Gaston,
Anatole und Roger.
Die drei Männer wühlten in den
Scheinen, sie warfen sie in die Luft, stopften sie sich unter das Hemd,
wälzten, sielten sich darin, bissen hinein, füllten ihre Schiffermützen.
Philipp sah ihnen angewidert
zu. Er spürte, wie etwas in ihm zersprang. Wie die Saite einer Geige. Es war
die Saite vom »einfachen schlichten Leben«.
»Komm, Philly, sollst auch was
haben.« Gaston, sein Lebensretter, stand plötzlich vor ihm und warf ihm die
100-Francs-Noten bündelweise ins Boot. »Hier nimm, friß, bist ein anständiger
Kerl, wirst nicht zu kurz kommen.«
»Sag mir erst mal, wo ihr es
herhabt.« Philipp sah einigermaßen sprachlos auf die Scheine, die auf ihm lagen
wie eine bunt gemusterte Bettdecke.
»Die Kiste! Die Kiste!« Gaston
warf sich auf die Knie und küßte den mit Blech ausgeschlagenen Behälter. »Die
hat’s angeschwemmt, die Nacht, so richtig angetuckert ist sie gekommen, wie
eine Barkasse, die gute, alte, feine Kiste.« Alle drei hakten sie sich unter
und führten wieder ihren Idiotentanz auf.
Philipp tippte sich resigniert
an die Stirn. Mit denen war nicht zu reden. Sie waren besoffen von dem vielen Geld.
Sie dachten nicht daran, daß man sie jeden Augenblick entdecken konnte. Und
schon gar nicht beschäftigten sie sich mit der Frage, woher der Segen gekommen
war. Schiffsbesatzungen pflegten im allgemeinen keine Kisten mit ein paar
tausend 100-Francs-Noten ins Wasser zu feuern.
Die Kiste konnte natürlich von
einem gesunkenen Schiff herrühren. Aber von einem gesunkenen Schiff war nichts
bekannt.
Er nahm einen der Scheine in
die Hand und betrachtete ihn sorgfältig. Er konnte nichts Außergewöhnliches
feststellen. Er griff in den Strohsack und holte seine Brieftasche heraus. Er
entnahm ihr einen 100-Francs-Schein und verglich ihn mit einem der
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