Das goldene Meer
die Menschen verkauft und war mit seiner schnellen Yacht in der Weite des Südchinesischen Meeres verschwunden. Dafür dümpelte auf der Position 9.10 Nord/107.25 Ost eine andere, ebenso schöne und elegante Motoryacht, ein weißer Traum von einem Schiff. Am Heck wehte das Sternenbanner, die amerikanische Flagge. Störend wirkte allein eine von drei Matrosen in weißen Uniformen bediente Kanone. Sie schwenkte zur Liberty hin, als diese in Schußweite kam.
Funker Buchs hatte die Tür zur Funkstation aufgestoßen und schrie auf die Brücke, was er hörte. Der Funkkontakt war hervorragend. Anders als bei Truc gab es ein Gespräch mit der Yacht.
»Et is die Florida Sun!« rief Buchs. »Da Kääl heißt Bradcock. Luis Bradcock. Mer künne ruhig näherkomme, er schüßt nit.« Er schwieg, hörte zu, was Bradcock sagte und winkte dann zu Dr. Herbergh. »Da Chef soll kumme. Mir solle stoppen. Bradcock kümmt längsseits. Wenn mer ihn einlade, kütt er auch an Bord. Da Chef wird verlangt.«
Dr. Herbergh ging in die Funkkabine und nahm das Mikrofon in die Hand. Buchs drehte den Lautsprecher voll auf, damit auch die anderen mithören konnten.
»Hier Dr. Herbergh.«
»Ich grüße Sie, Doktor!« Bradcock sprach ein breites Amerikanisch, wie ein Texaner. »Ich weiß von Truc, wer Sie sind. Außerdem steht Ihr Name in allen Zeitungen. Ich komme jetzt längsseits, damit Sie einen Blick aufs Achterdeck werfen können. Dann unterhalten wir uns weiter.«
Die Verbindung brach ab. Dr. Herbergh blieb im Funkraum und nagte an der Unterlippe. Anneliese kam zu ihm und legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.
»Es ist schon ein großer Vorteil für uns, daß Truc weg ist«, sagte sie.
»Du siehst das so. Truc hätte uns nie beschossen … bei diesem Amerikaner weiß man das nicht.«
Auf der Nock standen jetzt Büchler, Dr. Starke, Pitz und Xuong. Stellinger, Kroll und v. Starkenburg preßten sich an die Bordwand. Vom Maschinenraum kam nun auch Chief Kranzenberger auf die Brücke, sichtbar erleichtert, daß das verrückte Fahren endlich vorbei war und sie gestoppt hatten.
»Ein schönes Schiffchen«, sagte er bewundernd. »Die leben bestimmt nicht vom Schnürsenkelverkaufen.«
Langsam schwamm die Florida Sun an die Liberty of Sea heran und ging längsseit. Dr. Starke umklammerte das Schanzkleid der Nock. Auf dem Achterdeck drängten sich vietnamesische Flüchtlinge. Die gekaufte Ware.
Im Lautsprecher tönte wieder Bradcocks breite Stimme. »Können Sie sehen, Doktor?« fragte er.
»Ja.« Dr. Herberghs Stimme war heiser vor Erregung. »Fünfundzwanzig Menschen, davon vierzehn Frauen.«
»Woher wissen Sie das? Können Sie so schnell zählen?«
»Wir haben Ihr Gespräch mit Truc Kim Phong abgehört.«
»Das erspart mir lange Erklärungen, Doktor. Ich habe Sie erwartet. Truc sagte mir, daß Sie hier aufkreuzen würden, er muß geahnt haben, daß Sie mithören. Kann ich an Bord kommen?«
»Natürlich.«
»Keine Tricks, Dr. Herbergh. Mein 7,5-Geschütz ist feuerbereit. Wenn ich in einer Stunde nicht wieder an Bord bin, feuert sie los. Unter die Wasserlinie. Sie werden rettungslos absaufen. Außerdem trifft es zuerst Ihre Aufgefischten.«
»Kommen Sie«, sagte Herbergh. »Ich möchte gerne sehen, wie ein moderner Menschenhändler aussieht.«
Er gab das Mikrofon wieder zurück an Buchs und ging hinaus auf die Nock. Stellinger hatte die Lotsenleiter hinuntergelassen. Auf Deck hatten sich die Vietnamesen versammelt, bewaffnet mit Stangen und Knüppeln. In der Sonne blitzten eine Menge Messerklingen. Dr. Herbergh wandte sich zu Xuong.
»Ihre Leute sollen keinen Quatsch machen!« sagte er mahnend.
»Sie werden sich nur auf meinen Befehl bewegen«, antwortete Xuong. »Wir haben Truc erwartet, nicht diesen Amerikaner.«
Auf dem Deck der Yacht erschien jetzt ein breitschultriger, großer Mann in einem weißen Leinenanzug und einer weißen Kapitänsmütze auf dem Kopf. Geschickt griff er nach der Lotsenleiter und kletterte sie gewandt hinauf. Oben empfing ihn Stellinger mit einem gefährlichen Grunzen.
Bradcock lachte und sah sich furchtlos um. Die stumm, aber drohend dastehenden Vietnamesen erschreckten ihn nicht. Er fühlte sich sicher mit der Kanone im Rücken. In der Tür des Deckshauses erschien Dr. Starke und kam auf ihn zu.
»Kommen Sie mit!« sagte er rauh.
Im Arztzimmer warteten Anneliese, Dr. Herbergh und Büchler.
Bradcock kam herein wie ein guter, alter Freund, breitete die Arme aus und rief dröhnend: »Das ist
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