Das goldene Meer
Mit diesem Pfaugehabe kannst du unbedarften Mädchen imponieren. Ein Frauenkenner willst du sein und merkst nicht einmal, wie lächerlich du dich machst.
Eine halbe Stunde später war Albert Hörlein gekommen, hatte sie alle offiziell im Namen des Komitees begrüßt, die letzten Informationen gegeben, und dann waren sie mit einem Motorboot durch die faszinierende Inselwelt Singapurs zu der Stelle gefahren, an der die Liberty of Sea ankerte. Die letzten Handwerker waren noch an Bord. Sie bauten auf dem Vorderteil des Hecks die Küchenanlage für die Flüchtlingsverpflegung. Zwei große Becken aus Edelstahl mit Wasseranschluß, sechs Gas-Kochstellen, zwei Dampfkochkessel, Regale und Schränke mit Magnetverschlüssen. Die Töpfe und Pfannen lagen noch verpackt in einer der großen Kisten. Der ›Klinik-Container‹, wie ihn Dr. Herbergh genannt hatte, stand auch noch verschlossen vor dem hochragenden Deckshaus.
Kapitän Larsson begrüßte sie, als sie die ausgefahrene Gangway emporstiegen. Hörlein stellte die Damen und Herren vor. Oberbootsmann Stellinger, der gerade half, Proviantsäcke in den vorderen Laderaum herunterzulassen, unterbrach seine Tätigkeit und starrte Julia Meerkatz wie hypnotisiert an. Sie kam als letzte an Bord und hatte Mühe, mit ihrem engen Rock die Gangway zu erklettern. Dabei rutschte ihr Rock bis über die Oberschenkel.
»Donnerwetter«, sagte Stellinger begeistert. »Das gibt dem ganzen Törn eine völlig andere Wendung.« Dann sah er wie Johann Pitz, der Muskelprotz, sich neben das Püppchen schob, und ahnte, daß neben dem Auffischen von Flüchtlingen noch andere Probleme an Bord entstehen würden.
Nach einem Begrüßungstrunk mit Kapitän Larsson, zu dem auch der 1. Offizier Büchler und Chief Kranzenberger eingeladen wurde, sagte Hörlein: »In drei Tagen wollen wir auslaufen. Zumindest das Hafengebiet verlassen, um die Liegegebühr zu sparen. Dann sind wir an Bord komplett. Schaffen Sie es, Dr. Herbergh, die Klinik in drei Tagen aufzubauen?«
»Wenn wir alle anpacken, kann es klappen. Sonst machen wir auf See weiter. Wir brauchen ja keine speziellen Hilfskräfte.« Er sah Dr. Starke an, der deutlich angewidert den schlechten Whisky, den Larsson eingeschenkt hatte, hinunterschluckte. »Doktor Starke, können Sie auch mit Hammer und Schraubenzieher umgehen?«
»Nicht so gut wie Sie. Ich bin kein Unfallchirurg.«
»Um so besser können Sie Pillenschachteln und Salbentuben sortieren«, konterte Dr. Herbergh mit einem maliziösen Lächeln. »Herr Kapitän, es wäre schön, wenn Sie uns jetzt das Schiff zeigen könnten.«
»Den Rundgang wird Herr Büchler machen.« Larsson erhob sich und verkorkte dabei die Whiskyflasche. »Ihre Kabinen sind bezugsfertig.«
»Wo haben Sie denn diesen Brummbär her?« fragte Dr. Starke, als man die Räume besichtigte, in denen die ›Klinik‹ aufgebaut werden sollte.
»Wir mußten ihn mit dem Schiff übernehmen.« Hörlein hob die Schultern, als müßte er sich entschuldigen. »Der Reeder knüpfte diese Bedingung an die Charter.«
»Gab's keinen anderen? Was wir für unseren Auftrag brauchen, ist unbedingte Zusammenarbeit, Kameradschaft, ja Freundschaft, aber kein steifes Denken: Ich bin der Kapitän, euer Herr und Halbgott!«
»Er wird sich bestimmt den gegebenen Situationen anpassen.« Hörlein versuchte ein beruhigendes Lächeln. »Larsson ist einer der besten Seeleute, die je auf einer Kommandobrücke standen. Und so einen brauchen wir. Was Ihnen noch alles bevorsteht, haben Sie in unseren Berichten und auf den Fotos gesehen. Aber man kann das alles nicht beschreiben oder fotografieren. Die Wirklichkeit wird viel härter und vor allem deprimierender sein.«
Nach drei Stunden Schiffsbesichtigung, in denen der Chief sie auch in den Maschinenraum führte, wo alles vor Sauberkeit blitzte, fuhren sie mit dem Motorboot zurück nach Singapur, um ihre Koffer zu holen.
»Jetzt trinken wir noch einen letzten Mai-Tai«, sagte Dr. Herbergh in der Halle des Hilton, »und dann adieu Zivilisation!«
Sie stießen miteinander an und tranken. Plötzlich fragte Dr. Starke: »Haben Sie bemerkt, Kollege Herbergh, was mit diesem Chief, dem Kranzenberger, los ist?«
»Ein hervorragender Maschineningenieur. Wichtiger als der Kapitän. Denn wenn's im Bauch des Schiffes nicht stimmt, kann man auf der Brücke nur die Hände falten.«
»Mag sein …« Dr. Starke räusperte sich. »Kranzenberger ist schwul.«
»Na und? Den Kurbelwellen macht das nichts aus.«
»Wir
Weitere Kostenlose Bücher