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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vorbei.‹ Vier Wochen später ist er tot – und es ist wirklich vorbei.«
    »Du bist ein Narr! Ein Narr! Mit fünfunddreißig Jahren ein Narr! Wie kann man dir nur helfen?«
    »Indem du den Mund hältst, Vater, und weiter praktizierst, bis ich deinen Laden hier übernehme.«
    Das Wort Laden traf wie ein Degenstich. Der alte Starke wandte sich beleidigt ab, erwähnte Singapur mit keinem Wort mehr und blieb im Röntgenraum, als sich sein Sohn von den Mitarbeitern verabschiedete. Ohne väterlichen Händedruck flog Wilhelm Starke nach Fernost.
    Jetzt, in der Halle des Hilton, saß er lässig, mit übergeschlagenem Bein, in seinem tiefen Sessel, rauchte eine Orientzigarette, trank einen Whisky ohne Eis und mit kaltem, abgekochtem Wasser und betrachtete mit Wohlwollen die herumtrippelnden Mädchen. Denn das muß man sagen: Es gibt kaum schönere Frauen als die Singapur-Chinesinnen. Porzellanpüppchen, die man dauernd streicheln möchte, die man einfangen möchte wie einen Schmetterling, an denen man sich wärmen kann. Das war das Locken der Geheimnisse Asiens von den lackschwarzen Haaren bis zu den zierlichen Füßchen. Schönheit, die verzaubert und ungeahnte Wünsche aufblühen läßt.
    Julia Meerkatz. Vierundzwanzig. Krankenschwester. Klein, schmalhüftig, eine Taille, die zwei große Männerhände umspannen könnten, blaue Kulleraugen, blonde, gestutzte Locken, Rehbeine, aber dann ein Po, der bei jedem Schritt mitschwang und ein Busen, dessen runde Wölbung den Verdacht erzeugte, daß alles, was Julia trug, zwei Nummern zu klein war. Grob ausgedrückt: Sie war ein Wonneproppen. In Stuttgart geboren, in einer absolut bürgerlichen Familie, in der Hausmusik gepflegt wurde und der Vater am Harmonium saß. Schon mit siebzehn Jahren, nach der Obersekundareife, brach Julia aus, bewarb sich als Lernschwester im Stuttgarter Evangelischen Krankenhaus, verführte vom lehrenden Professor über Oberarzt, Stationsarzt, Medizinstudent, Praktikanten, Zivildienstleistenden, Laboranten, Krankenpfleger und Nachtwächter alles, was genügend Mannbarkeit vorweisen konnte. Dreimal verlobt und wieder entlobt, ein Faustduell zwischen zwei Ärzten, Verweisung aus der Klinik, neue Stelle im Krankenhaus Cannstatt, Scheidung des 2. Oberarztes mit Julia als Scheidungsgrund, Flucht vor dessen Eifersucht nach Köln. Und dort hörte sie von dem ›Komitee Rettet die Verfolgten‹. Da sie sich selbst als Verfolgte vorkam, bewarb sie sich für das Schiff, froh, weit genug weg zu sein von dem ärztlichen Othello. Ins Südchinesische Meer würde er ihr nicht folgen. Hier war sie sicher. Als sie in Singapur zum erstenmal mit Dr. Herbergh, Dr. Starke und dem Krankenpfleger Johann Pitz zusammentraf, wußte sie, daß es eine lustige Seereise werden würde.
    Jetzt saß sie neben Dr. Herbergh, wippte mit ihren zauberhaften Beinchen, hatte drei Knöpfe der Bluse über ihren Brüsten aufspringen lassen und trank – na, was denn? – einen Mai-Tai.
    Johann Pitz. Achtundzwanzig Jahre. Breite Schultern, rötliche Haare, großer Schnauzbart, stämmige Figur, Armmuskeln, die unter dem Hemd hervorquollen, Amateurboxer im Halbschwergewicht und auch noch Hammerwerfer. Sein Elternhaus war eine Katastrophe. Der Vater, ein Elektriker bei Krupp in Essen, versoff regelmäßig den halben Lohn und verprügelte dann seine Frau, was wesentlich dazu beitrug, daß Johann Boxunterricht nahm und dann seinen Vater k.o. schlug, wenn der wieder die Mutter attackierte. Die Schwester Conny lernte Schneiderin, verdiente aber ihr Geld als Callgirl, was man erst nach drei Jahren entdeckte, als man zufällig in ihrem Wäscheschrank ein Sparbuch über 32.000 Mark fand, einer Summe, die man als angestellte Schneiderin unmöglich verdienen kann. Der Vater schlug daraufhin sein Töchterchen halbtot, was wiederum Johann aufrief, seinen Vater krankenhausreif zu prügeln. Zustände, die man wirklich nicht geordnet nennen konnte. Als Krankenpfleger war Johann Pitz der beste Mann im Krupp-Krankenhaus, immer bereit, jedem zu helfen, nie wegen Krankheit fehlend, selbst dann nicht, wenn sein Vater eine gestochene Gerade gelandet und ihm ein blaues Auge verpaßt hatte. »Boxerpech!« erklärte Pitz dann seinen Patienten. »Man kann ja nicht immer siegen. Auch Schmeling hat sogar in seinen besten Jahren auf der Matte gelegen.«
    Wie viele las auch Pitz von den Vietnamflüchtlingen und dem Gebot der Menschlichkeit, zu helfen. Das griff ihm ans Herz, aber er zögerte noch. Die Mutter lag auf der

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