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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schatten über ihn fiel. Anneliese Burgbach stand vor seinem Liegestuhl, in einem einteiligen, mit bunten Blumen bedruckten Badeanzug, einen großkrempigen weißen Hut auf dem Kopf. Starke richtete sich auf und grinste breit.
    »Bitte nicht über Bord springen und ein paar Runden schwimmen«, sagte er. »Hier soll es Haie geben.«
    Dr. Burgbach setzte sich auf den Liegestuhl neben Starke. Sie spürte, wie er ihre Brüste und die Schenkel musterte, ein Blick, der sie abtastete wie eine warme Hand. Sie hatte sich daran gewöhnt, es gehörte einfach zu ihm. Die vergangenen drei Wochen hatten ihr zwei verschiedene Starkes gezeigt: Den eitlen Fraueneroberer, der ungeniert ihre Zurückhaltung aufzuweichen versuchte, und den besessenen Arzt, der die 137 Geretteten gründlich untersucht hatte und sie nun betreute. Abwechselnd mit Julia und Johann Pitz hatte er sogar Nachtwache bei der Frau mit der lebensbedrohenden Fehlgeburt gehalten, bis die kritischen Tage überstanden waren. Nur, daß er beim Abendessen immer korrekt in einem vollständigen Anzug erschien, fand sie ausgesprochen affig.
    »Hat Ihnen Hung auch von dem Piratenkönig erzählt, Wilhelm?« Sie nannten sich alle beim Vornamen, nur das Sie war nicht gefallen. Eine Ausnahme blieb Larsson, er war weiterhin der Herr Kapitän. Dr. Starke riß sich vom Anblick ihres Busens los und nickte.
    »Truc Kim Phong. Den Namen habe ich mir gemerkt. Sind Sie ein gläubiger Mensch, Anneliese?«
    »Nicht im kirchlichen Sinne. Ich glaube an eine Schicksalsbestimmende Macht, ohne für sie einen Namen zu haben. Und Sie?«
    »Ich komme aus einem sehr religiösen Elternhaus. Das hat mich immer gewundert. Mutter, na ja, sie lebte in der Tradition derer von Führbeck-Heidenstein. Aber Vater ist ein rauher Geselle, der typische ›Chef‹, der in seiner Praxis mit Absolutismus regiert. Sonntags jedoch geht er in die Kirche und singt Psalmen. Das habe ich nie begriffen. Ich selbst? Lachen Sie nicht, Anneliese: Ich glaube an Gott.«
    »Warum sollte ich lachen. Sie haben mich nach meiner Einstellung gefragt.«
    »Mir ist da manches durch den Kopf gegangen. Angenommen, wir stehen eines Tages diesem Truc gegenüber.«
    »Kein guter Gedanke, Wilhelm.«
    »Spielen wir ihn aber durch. Wir treffen auf ihn, er hat die eingefangenen Mädchen an Bord, wir fordern ihn auf, sie freizugeben. Und was macht er? Er wirft sie über Bord. Würde Gott es verzeihen, wenn ich ihn dann umbringe?«
    »Wilhelm, woran denken Sie bloß! Sie könnten Truc töten?«
    »Ja.«
    »Womit denn?«
    »Mit einer Smith & Wesson, Kaliber 9 Millimeter. Sie lag zwischen meinen Unterhosen, niemand hat sie bemerkt. Auf meinen Koffer hatte ich ein Rotes Kreuz gemalt. Vielleicht hat man ihn deshalb nicht genauer untersucht.«
    »Das hätte ich Ihnen niemals zugetraut, selbst im Traum nicht.«
    »Sie träumen von mir? Anneliese, Sie machen mich glücklich …«
    Er wollte nach ihrer Hand greifen, aber sie zog sie schnell weg. So fiel seine Hand auf ihren linken Schenkel. Schnell schob sie seine Finger zur Seite.
    Auf der Brückennock stand Dr. Herbergh und blickte mit zusammengekniffenen Augen zum Sonnensegel und den Liegestühlen hinunter. Er hatte in diesen drei Wochen Dr. Starke schätzengelernt, aber dessen Bemühungen um Anneliese Burgbach gefielen ihm gar nicht. Ein fremdes, unangenehmes, belastendes Gefühl hatte sich bei ihm entwickelt, immer, wenn er Starke und Anneliese zusammen sah. Er hatte keine Erklärung dafür. Es Eifersucht zu nennen, betrachtete er als völlig abwegig, ja blöd. Eifersucht erwächst aus Liebe, wenn sie im Zusammenhang mit einer Frau auftaucht. Wie aber konnte man behaupten, daß er Dr. Burgbach liebte? Es war angenehm, sie um sich zu haben, es war schön, sie anzusehen, es war beglückend, ihr helles Lachen zu hören, es war verzaubernd, in ihre Augen zu blicken …
    Er hielt erschrocken seine Gedanken an. Welche Worte! Schön, beglückend, verzaubernd. So denkt ein heillos Verliebter! Das sind Vokabeln des Enthusiasmus. Und verdammt, jetzt legt der Kerl auch noch die Hand auf ihren Schenkel! Beugt sich zu ihr vor …
    In Dr. Herbergh gab es so etwas wie einen Kurzschluß. Er riß das Fernglas hoch, streckte den linken Arm weit aus und schrie in das Steuerhaus hinein: »Ein Boot! Alarm! Alarm!«
    Johann Pitz, der als zweiter Ausguck mit seinem Fernglas das Meer abtastete, sah nichts und starrte seinen Chef verwirrt an.
    »Wo?« fragte er. »Wo denn?«
    »Dort hinten. Backbord! Ein kleines Boot.

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