Das goldene Meer
Eine feige Sau ist er!«
»Wie ich dich kenne, hast du ihm das auch gesagt.«
»In sein Arschgesicht hinein. Jawohl!«
»Und was willst du dann in Manila machen?«
»Zuerst einmal stürme ich einen Puff.«
»Das hätte ich mir denken können, das so was kommt.« Sie wandte sich um und drehte Stellinger den Rücken zu. »Hau ab. Laß mich in Ruhe. Verdirb mir nicht die Luft.«
Stellinger lachte rauh, gab Julia einen Klaps auf den Rücken und ging hinein.
Im Hospital war die Leiche des Mädchens mit einem Laken zugedeckt. Sie lag auf einer Trage, nur die kleinen nackten Füße ragten unter dem Tuch hervor. Im Nebenraum saßen die Ärzte um einen Tisch, rauchten und tranken Cognac. Vor Dr. Starke lag die Kamera, mit der man das Grauen fotografiert hatte. Vor allem Dr. Starke machte seine Ankündigung wahr: Er trank den Cognac nicht, er soff ihn. Es war das sechste Glas, das er gerade an den Mund setzte. Mit schon leicht unsicherem, verglasten Blick sah er Stellinger an.
»An deiner Stelle hätte ich Larsson die Faust ins Gesicht gesetzt oder ihn ins Gemächt getreten«, seine Stimme begann schwer zu werden, »ich plädiere dafür, den sturen Hund auszutauschen. Das Komitee soll das durchsetzen. Es gibt genug Kapitäne, die auf einen Job warten.«
»Er hat recht«, sagte Stellinger und setzte sich an den Tisch. Dr. Herbergh schob ihm ein Glas hinüber.
»Natürlich habe ich recht.«
»Nicht Sie, Doktor. Larsson hat recht.«
»Da springt das Kotelett aus der Pfanne! Das sagst du?!«
»Gegen Truc kommen wir nicht an, Doktor. Er hat ein schnelleres Schiff, er ist bewaffnet, er kann es sich leisten, uns zu provozieren und lächerlich zu machen. Er weiß genauso gut wie wir, daß niemand ihn an seinen Raubzügen hindern kann. Da müßte schon ein Kriegsschiff kommen, aber von wem?«
»Auf jeden Fall werden wir daraus eine Lehre ziehen.« Dr. Herbergh nahm Dr. Starke die Cognacflasche aus der Hand. Starke beantwortete das mit einem tiefen Grunzen. »Wenn Truc zwischen uns und der Küste liegt, fängt er die meisten Flüchtlingsboote ab. Wir müssen näher an das Mekong-Delta heran, an die Grenze der internationalen Zone. Wir müssen die Flüchtlingsboote schon am zweiten Tag ihres Auslaufens – spätestens! – aufnehmen. Jeder Tag länger treibt sie Truc in die Arme.«
»Weiß das Larsson schon?« fragte Stellinger.
»Nein. Das haben wir gerade erst besprochen.«
»Er wird nicht mitmachen, Doktor.«
»Dann treten wir ihm doch noch ins Gemächt!« lallte Dr. Starke. »Das macht jeden Mann weich«, er lächelte etwas blöde zu Anneliese hinüber und machte im Sitzen eine kurze Verbeugung. »Pardon, schöne Kollegin, ich habe damit nicht angedeutet, daß Sie ihn dann behandeln sollen.«
»Es ist besser, Wilhelm, Sie legen sich jetzt hin.«
»Buchs versucht über Radio Singapur eine schnelle Verbindung mit Köln zu bekommen.« Anneliese schob die Cognacflasche weit weg, als Dr. Starke wieder nach ihr angelte. »Wenn Hörlein unserem Plan zustimmt, wird er mit dem Reeder sprechen, und Larsson bekommt neue Anweisungen.«
»Ich habe immer geglaubt, wir bestimmen den Kurs!« Stellinger sah einen nach dem anderen an. »Wer ist denn hier der Chef?«
»Wir sind ein Team, Franz.«
»Aber einer muß doch das Sagen haben. Die Liberty ist gechartert …«
»Vom Komitee.«
»Das sitzt in Köln. Wie kann man von Köln aus beurteilen, was wir hier tun sollen?«
»Franz! Sie wissen doch, wir stehen in dauerndem Funkkontakt mit Hörlein.« Dr. Herbergh steckte sich eine Zigarette an.
Dr. Starke hing auf seinem Stuhl und stierte betrunken vor sich hin.
»Er war in den vergangenen Wochen mehrmals in Singapur, Bangkok und Manila und hat mit den Behörden und den deutschen Botschaften verhandelt. Es ist nicht so, daß wir hier auf gut Glück herumschwimmen.«
»Wir brauchten einen deutschen Kapitän, Doktor.«
»Das hier ist aber ein schwedisches Schiff.«
»Gab's keine stillgelegten deutschen Pötte?«
»Ich nehme an, die gibt's bestimmt. Aber sie werden zu teuer in der Charter gewesen sein. Ich habe Hörlein nie danach gefragt.«
»Näher an die Mekong-Mündung heran …« Stellinger zog die Stirn in Falten und trank bedächtig seinen Cognac. »Sie wissen, was das heißt, Doktor?«
»Direkte Konfrontation mit Truc.«
»Krieg! Krieg mit den Piraten! Was sagt Büchler dazu?«
»Er ist dafür.«
»Also doch so etwas wie auf der Bounty!«
»Um Gottes willen, nein, Franz!«
»Ich weiß. Der Chief hat's mir
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