Das goldene Meer
Starke das Kätzchen umschlich wie ein gurrender Kater. Zum Glück für alle ahnte er nichts von Julia und Büchler, es hätte ihn völlig um den Verstand gebracht. Wer Julia einmal in den Armen gehalten hatte, war nicht mehr zu klarem Denken fähig.
Vom Telefon an dem großen 23-Tonnen-Kran rief er im Hospital an, er wählte die Nummer von Uts Zimmer. Dort mußte Julia jetzt sein. Wirklich meldete sie sich, und Pitz genoß einen Augenblick lang den Klang ihrer Stimme. »Ja? Hier Schwester Julia.«
»Nein«, antwortete Pitz verzückt. »Dort ist meine süße Frau.«
»Wer spricht denn da?«
»Unsere Matratze wartet!«
»Johann?!«
»Wer sonst, mein Zuckerfötzchen?«
»Leg dich ins Bett und penn dich aus. Du bist ja auch betrunken.«
»Ins Bett? Nur mit dir. Ich warte in der Kabelkammer.«
»Nein!«
»Guck auf die Uhr. It's lovetime.«
»Wie kannst du nach einem solchen Tag noch ans Bumsen denken?!«
»Gerade, mein Liebling. Wir wollen gemeinsam vergessen, indem wir uns vergessen.«
»Nun werd nicht auch noch poetisch! Ich habe keine Lust, verstehst du? Mir steckt das alles in den Knochen. Mensch, was hast du für ein Gemüt?! Denkst nur ans Bumsen.«
»Ja.« Pitz grinste in den Hörer hinein, als könnte Julia es sehen. »Wenn ich an dich denke, kribbelt's mir im Blut, und wenn ich dich sehe, muß ich beide Hände vor die Hose halten.«
»Ferkel!« Julias Stimme klang wütend. »Heute nicht, sage ich!«
»Auf Wilhelm brauchst du nicht zu warten, der liegt besinnungslos besoffen in seiner Koje.«
Julia hielt einen Augenblick den Atem an und blickte entsetzt auf den Hörer. Was wußte Johann? Hatte er doch etwas bemerkt? »Wer ist Wilhelm?« fragte sie umwerfend unschuldig.
»Der Gentleman vom Dienst. Der promovierte Affe mit dem Schwanz in der Hand. Allzeit bereit.«
»Mein Gott, hast du einen sitzen«, sagte Julia geschickt und konnte damit das gefährliche Gespräch abbrechen. »Schlaf dich aus.«
»Kommst du in die Kabelkammer?«
»Nein! Außerdem bin ich nicht allein.«
»Wer ist denn im Zimmer?«
»Ut und ihre drei Kinder.«
»Die versteht kein Deutsch.« Pitz bekam einen Gedanken und fand ihn grandios und vor allem ausführbar. »Ich komme heute nacht zu dir in die Kabine, einverstanden?«
»Johann! Wir hatten ausgemacht …«
»Damit es keiner sieht, vor allem der Lackaffe nicht, der nachts herumgeistert.« Pitz sah natürlich nicht, wie Julia jetzt erschrocken die Schultern hob und den Kopf einzog, als wolle man sie schlagen. »Aber Casanova schläft in nächster Umgebung einer Alkoholvergiftung, der Chef ist auch nicht mehr allein und sieht doppelt, Dr. Anneliese will sich um Ut und die Kinder kümmern. Heut' ist die Nacht, in der dein Bettchen krachen kann.«
»Ich kann nicht, Johann.« Julias Stimme klang weinerlich und gequält. »Heute sind meine Nerven kaputt. Ich brauche Ruhe. Komm nicht, versuch es nicht. Ich schließe die Tür ab und mache unter Garantie nicht auf. Morgen, Schatz. Morgen bestimmt, wie immer.«
Sie hängte ein. Pitz knallte am Kran den Telefonhörer auf die Gabel. Dann nicht, mein Pussy-Kätzchen, dachte er wütend. Aber so etwas merkt man sich. Wenn du mal Lust hast auf einen rasanten Bums, dann sag' ich auch: O nein, meine Nerven sind heute so schwach. Dann kannst du dir ein Kissen zwischen die Beine klemmen.
Mit finsterer Miene ging er an den noch immer heftig diskutierenden Gruppen von Vietnamesen vorbei und wußte nicht, was er mit der freien Stunde anfangen sollte. Er setzte sich auf den Rand der Deckvertiefung, die dem Schiffsparlament als Sitzungsraum diente, stierte auf die Planken, belegte in Gedanken Julia mit einer Anzahl unschöner Worte, wovon ›hysterische Kuh‹ noch das mildeste war, und schrak wie ertappt hoch, als ihn jemand von hinten auf die Schulter tippte.
Herbert v. Starkenburg nickte ihm stumm zu und setzte sich neben ihn. Die Blässe des Entsetzens stand ihm noch im Gesicht. »Hast du 'ne Zigarette?« fragte er nach einem langen Schweigen, das Pitz durch keine Frage unterbrach.
»Nein. In der Kabine. Seit wann rauchst du, Herbert?«
»Ich war früher ein starker Raucher. Ein Paffer. Und meistens mit Zusatz.«
»Marihuana?«
»Auch. Es gibt da noch ganz andere Sachen, Mischungen. Wenn du die inhalierst, verändert sich die Welt. Da sind die Bäume aus buntem Glas, die Wiese ist violett, und die Flüsse fließen den Berg hinauf.«
»Da wirste verrückt.«
»Das wirst du auch, wenn du dich daran gewöhnst. Dann kannst du
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